Kommentar Merkels Sommerpressekonferenz - Im Zenit

Angela Merkel steht im Zenit ihrer Macht. Das ist zu Beginn der dritten Legislaturperiode unter ihrer Kanzlerschaft nicht ganz so erstaunlich. Dass sie aber auch im Zenit ihrer Beliebtheit steht, ist dagegen eine gewaltige politische Leistung.

Das innenpolitische Klein-Klein hat bei ihr nicht zu Abnutzungserscheinungen geführt. Wenn es am schönsten ist, soll man aufhören. Der Kapitän der Nationalelf, Philipp Lahm, hat das gerade vorgemacht.

Die Spielführerin des Bundeskabinetts will zumindest die volle Legislaturperiode weiterregieren. Eine Versuchung ist der Rücktritt auf dem Höhepunkt für Merkel mit Sicherheit. Deutschland steht gut da. Es gibt keine innenpolitischen Baustelle, von der sie glauben müsste, dass sie ohne ihr Mittun nicht geschlossen werden könnten.

Was die Kanzlerin im Amt hält, ist das außenpolitische Gewicht Deutschlands und ihre bedeutende weltpolitische Rolle. Die gestrige Pressekonferenz war da ein kleiner Fingerzeig: Mazedonische Journalisten wollten von Merkel wissen, wie sie den leidigen Namensstreit mit Griechenland lösen könnte. Albaner baten, ihren Einfluss bei den Serben geltend zu machen, damit das Kosovo nicht weiter in seiner Entwicklung blockiert würde. Die Italiener wollten wissen, ob Merkel glaube, dass eine Italienerin EU-Kommissarin für Außenpolitik werden könne.

Ein palästinensischer Kollege verlangte Druck auf Israel, und immer wieder ging es um die Ukraine, um Putin, um die Sanktionen. Merkel, so konnte es scheinen, ist die globale "Superwoman", der man zutraut, alle Brandherde der Welt persönlich auszutreten.

So ist es natürlich nicht. Aber ganz nüchtern muss man feststellen, dass der weltweite Einfluss Deutschlands seit Ende des Zweiten Weltkriegs zu keinem Zeitpunkt größer war als heute. In Zeiten der Globalisierung haben die USA die Rolle des alleinigen Weltpolizisten verloren. In einer versteckten, aber wichtigen Bemerkung hat Merkel das ausdrücklich hervorgehoben.

Bedeutender als die Wasserglasstürme um US-Spionage in Deutschland ist die fundamentale Tatsache, dass Washingtons weltweite Diplomatie deutsche Unterstützung dringend nötig hat: Deutschland gilt im Nahen Osten als geschätzter Vermittler.

Deutschland hat entscheidend daran mitgewirkt, dass eine Lösung im eine ganze Region beunruhigenden Konflikt um das iranische Atomprogramm in Reichweite ist, weil es die Gesprächsfäden nach Teheran nie abreißen ließ. Deutschland - nein Merkel! - sorgt dafür, dass der unkontrollierbare Wladimir Putin für den Westen erreichbar bleibt.

Das ist nicht nur Merkels persönliches Verdienst. Die Bundesrepublik erntet da die Früchte einer jahrzehntelangen Politik der Zurückhaltung und der fairen Partnerschaft, die meist dem leisen Verhandeln Vorrang vor Säbelrasseln und Eskalation gegeben hat. Das trägt bis heute. Auffallend, wie Merkel am Freitag betonte, dass die noch vor dem Flugzeugabschuss beschlossenen EU-Sanktionen die Plattform böten, Moskau härter anzufassen. Was im Klartext die Botschaft transportierte: Jetzt bloß nicht noch mehr Öl ins Feuer schütten.

Innenpolitisch mag Merkel verzichtbar sein. Außenpolitisch ist sie es weniger denn je.

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