Kommentar Merkels Führungsrolle in der Krim-Krise - Zugkraft und Einfluss

Bukarest im April 2008. Nato-Gipfel in der rumänischen Hauptstadt. US-Präsident George W. Bush ist für einen schnellen Beitritt Georgiens und der Ukraine in das nordatlantische Verteidigungsbündnis. Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident sind dagegen.

Am Ende bekommen Georgien und die Ukraine eine Beitrittsperspektive. Hätte Bush sich damals durchgesetzt, müsste die Nato jetzt womöglich den Bündnisfall nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrages ausrufen, vorausgesetzt, die Ukraine hätte es in den vergangenen sechs Jahren bereits zum Nato-Mitglied gebracht. Und dies alles - gegen Russland.

Merkel hat bei diesem Nato-Gipfel eine deutsche Führungsrolle gezeigt, die auch jetzt wieder gefragt ist. Einfach zur Tagesordnung kann in der Krim-Krise niemand mehr übergehen. Entsprechend deutlich hat die EU jetzt reagiert: mit ersten Sanktionen, denen härtere folgen könnten.

Keine andere Regierung in Europa hat wegen funktionierender bilateraler Kontakte, aber auch wegen der Kraft ihrer Volkswirtschaft so viel Einfluss auf den Machthaber im Kreml wie Berlin. Und: Merkel kennt den russischen Präsidenten Wladimir Putin so gut wie kein anderer unter den europäischen Staats- und Regierungschefs, was nicht heißt, dass sie sich mögen. Aber Merkel vermag Putin und dessen Weltblick einzuschätzen. Putins Welt? Angeblich lebt der Russe ja in einer anderen, soll Merkel in einem Telefongespräch mit US-Präsident Barack Obama geschimpft haben.

Einen Einblick in Putins Welt durfte gestern der deutsche Vize-Kanzler, Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, nehmen. Ein länger geplanter Besuch in Moskau, aber zum richtigen Zeitpunkt. Für Putin fügt es sich wunderbar, wenn er mit dem SPD-Vorsitzenden Gabriel auch einen innenpolitischen Konkurrenten Merkels vorlässt. Es kann ja nicht schaden. Außerdem zeigt er sich, bitte sehr, allseits gesprächsbereit.

Der Bundesregierung soll es recht sein, wenn Merkel, Gabriel und auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier mit Ergebnissen für Frieden auf der Krim und für die territoriale Unversehrtheit der Ukraine vermitteln können. Natürlich kann es Deutschland nicht alleine schaffen, aber die Regierung Merkel kann und muss die Zugmaschine in Europa bei dieser diplomatischen Krisenmission sein.

Putin verhöhnt die Welt. Muskelspiele gegen weiche Politik. Tatsächlich hatte er bislang darauf gesetzt, dass sich vor allem die EU nicht zu wirklichen Sanktionen gegen die russische Führung durchringen könne. Doch die USA sind in Vorleistung gegangen und haben kleinkalibrige Sanktionen verhängt - Visa-Beschränkungen gegen Russen, die die Sicherheit der Ukraine bedrohen. Merkel und die EU haben jetzt in Brüssel nachgelegt, auch wenn der Gesprächskanal vorerst offen bleibt.

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