Kommentar Merkels Besuch in der Ukraine - Kleine Genugtuung

Rednerisch zeigte die Kanzlerin in Kiew durchaus Courage. 75 Jahre vor ihrem Besuch sei ja das Molotow-Ribbentrop-Abkommen unterzeichnet worden, sagte sie.

Eine Anspielung auf die massenhaften "Frau Ribbentrop"-Schmähungen im ukrainischen Internet wegen des deutschen Zauderns in den vergangenen Monaten, wenn es um Sanktionen gegen Russland ging. Deutschland habe aus seiner Geschichte gelernt, versicherte Frau Merkel, es wolle kein neues politisches Unglück in Osteuropa provozieren.

Ebenso demonstrativ erklärte die Kanzlerin, Deutschland unterstütze die territoriale Integrität der Ukraine. Bemerkenswert dass die Kanzlerin die Erklärung ihres Vizes Sigmar Gabriel, Russlands Annektierung der Krim sei nicht rückgängig zu machen, öffentlich für nichtig erklärte.

Auch Gabriels Forderung einer "vernünftigen Föderalisierung" der Ostukraine bügelte die Chefin glatt ab: Sie schlug Kiew statt dessen Dezentralisierung vor - ein Begriff, der in der Ukraine viel beliebter als die vor allem von den Russen gern zitierte Föderalisierung ist.

Aber solche kleinen verbalen Genugtuungen helfen dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko beim Kampf um die territoriale Unversehrtheit seines Landes nicht weiter. Die von Russland massiv unterstützten Separatisten im Donbass haben für das Wort "Föderalisierung" selbst nur höhnisches Lachen übrig. Die inhaltlichen Rezepte und Mittel, die die Kanzlerin in Kiew auspackte, erwiesen sich weder als neu noch kräftig.

Es braucht einen Waffenstillstand, die - fruchtlosen - Gespräche zwischen der Kontaktgruppe russischer, ukrainischer und OSZE-Unterhändler mit den Rebellenführern müssten wieder aufgenommen werden. Weitere Sanktionen gegenüber Russland? Nicht unbedingt.

Merkel trat in Kiew als Kanzlerin voll Sanftmut auf, eine Personifizierung der deutschen und damit zum Großteil der europäischen Ukraine-Politik: Wir erkennen an, dass ihr im Recht seid, wir unterstützen euch moralisch, diplomatisch, aber einen neuen kalten Krieg mit Russland wollen wir eigentlich nicht. Poroschenko bedankte sich brav, Deutschland sei der Ukraine ein "mächtiger Freund" und ein "guter Anwalt".

Das Wort "Verbündeter" nahm er nicht in den Mund. Und Angela Merkel hatte Kiew gerade verlassen, da verdrängte ein Telefonat Poroschenkos mit US-Vizepräsident John Byden ihren Auftritt aus den Schlagzeilen. Der Amerikaner versprach der Ukraine neue Finanzhilfe.

Auch die Kanzlerin will der Ukraine unter die Arme greifen. Aber die 500 Millionen Euro-Bürgschaft, die sie für den Wiederaufbau der Infrastruktur im Kriegsgebiet versprach, wirkt angesichts der Kämpfe als seltsam verfrühte Gabe. Woher weiß Frau Merkel, dass dieses Gebiet nach dem Krieg noch zur Ukraine gehört?

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