Kommentar Löhne bei der Post - Ungleichgewichte

Der Arbeitskonflikt bei der Deutschen Post lässt einen tiefen Blick darauf zu, in welche Richtung sich die soziale Marktwirtschaft in Deutschland bewegt. Ein wichtiges Element für den vergrößerten Wohlstand sind Tarifabschlüsse, die die Branchenentwicklung berücksichtigen.

Gibt es mehr zu verteilen, sind die Tarifabschlüsse höher, in Krisenzeiten fällt die Steigerung eher schmal aus. Deutschland fährt nicht schlecht mit diesem Weg. Es gibt allerdings immer öfter Versuche, davon abzubiegen.

Der Deutschen Post geht es derzeit glänzend. Und das hängt mit dem Management von Vorstandschef Frank Appel und seinen Kollegen zusammen. Es hängt aber auch damit zusammen, dass die Deutschen über eine ausreichende Menge an Kaufkraft verfügen und viele Dinge im Internet bestellen, die von der Post-Tochter DHL ausgeliefert werden.

Mit der Ausgründung von 49 Regionalgesellschaften, in denen Zusteller zu den niedrigeren Tarifen des Logistikgewerbes statt zum Haustarifvertrag bezahlt werden, hat der Konzern einen Schritt getan, der eine Zerreißprobe für den Interessenausgleich zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern darstellt. Ungleicher Lohn für gleiche Arbeit: Ein Prinzip mit echter Sprengkraft.

Klar, Konkurrenten der Post lassen Beschäftigte für äußerst bescheidene Löhne schuften. Die Ausgliederung der Regionalgesellschaften mag da aus betriebswirtschaftlicher Sicht als logischer Schritt erscheinen. Aber volkswirtschaftlich wäre es verheerend, wenn dieses Beispiel weiter Schule machte. Ein hoch entwickeltes Land wie Deutschland kann aus einem Lohnwettbewerb nach unten niemals als Sieger hervorgehen.

Es werden andere immer günstiger anbieten können. Logistikzentren in Polen sind da nur ein Beispiel.Auf den Wettbewerb über Qualität zu setzen, ist in Deutschland wegweisender. Die Zustellung von Internetbestellungen noch am gleichen Abend ist so ein Weg, der ausgebaut werden kann. Am Konflikt bei der Post zeigt sich deutlich das Ungleichgewicht zwischen Aktionären und Arbeitnehmern. Die Post hat ihren Aktionären langfristig Gewinnsteigerungen um acht Prozent pro Jahr versprochen. Von einem solchen Plus können die Tarifbeschäftigten nur träumen.

Die Post ist nicht der erste Konzern, der neue Wege findet, beim Personal zu sparen. Es ist in Mode gekommen, Billigtöchter zu gründen oder Subunternehmer zu beschäftigen, die Arbeit für weniger Geld erledigen, siehe Lufthansa. Das Credo des Nachkriegskanzlers und der Vaterfigur der sozialen Marktwirtschaft, Ludwig Erhard, vom "Wohlstand für alle" gerät in Vergessenheit. Aber: Gefühlte Ungerechtigkeit bei Lohn wirkt auf Beschäftigte demotivierend. Das Image des Unternehmens leidet. Wenn man dieses berücksichtigt, fallen die gesellschaftliche Verantwortung eines Konzerns und sein ökonomisches Interesse wieder stärker zusammen.

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