Kommentar Lage der SPD:Gedankenspiele

Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Torsten Albig umweht eine gewisse Weltfremdheit, die für einen Politiker seiner Intelligenz mindestens ungewöhnlich ist. Seine Äußerungen im NDR-Interview klingen wie unausgegorene Diskussionsbeiträge in vertrauter Runde; Gedankenspiele ohne größeren Tiefgang, vielleicht sogar mit richtigen Einsichten.

Sie öffentlich zu machen, ist indes in keinem Fall klug. Albig hinterlässt einen fatalen Eindruck. Wer soll noch eine Partei wählen, die sich aufgibt, bevor sie überhaupt angetreten ist? Wer soll sich zum Kanzlerkandidaten küren lassen, wenn er weiß, die eigenen Leute halten ihn nur für Kanonenfutter und die regierende Kanzlerin ohnehin für die bessere Besetzung?

Es fällt schwer, auch nur einen versteckten Sinn in der Äußerung über Sigmar Gabriel und seine Chancen zu finden. Will er seinem Vorsitzenden schaden? War das eine Art persönlicher Ratschlag - unerbeten und daher besonders ärgerlich? Albig allein kennt die Antwort.

Nun mag man den gelernten Pressesprecher in der Kieler Staatskanzlei für einen mittelmäßig beliebten Provinzpolitiker mit leicht autistischen Zügen halten. Seine Auftritt sagt indes etwas über den Zustand der SPD. Sie glaubt offenbar nicht mehr an sich und den eigenen Erfolg. Die Parteiführung hat nicht die Autorität, solche überflüssigen Gedankenspiele gar nicht erst laut werden zu lassen. Bis zur Wahl muss noch eine Menge geschehen, wenn die SPD auch nur den Hauch einer Chance haben will. Ansonsten ist ihre Perspektive genauso, wie Albig sie einschätzt: schlecht.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Sehr viele Stühle: Der Bundestag soll
Nicht ohne Nachteil
Kommentar zur WahlrechtsreformNicht ohne Nachteil
Viel Potenzial bei Ungelernten
Kommentar zur Arbeitslosenquote Viel Potenzial bei Ungelernten
Eine andere Welt
Kommentar zu den weltweiten Militärausgaben Eine andere Welt
Zum Thema
Der Unruhestifter
Kommentar zur Rede von Emmanuel Macron an der Sorbonne Der Unruhestifter
Moral ist anstrengend
Kommentar zum Lieferkettengesetz Moral ist anstrengend
Noch nicht aufgewacht
Kommentar zum Treffen zwischen Scholz und Sunak Noch nicht aufgewacht
Nur Warten reicht nicht
Kommentar zur Frühjahrsprognose Nur Warten reicht nicht
Aus dem Ressort