Kommentar Katholikentag in Regensburg - Brücken bauen

Brücken bauen will der 99. Deutsche Katholikentag, der am Mittwochabend in Regensburg festlich eröffnet worden ist. 30 000 Dauerteilnehmer und 10 000 Tagesteilnehmer werden bis zum Wochenende das größte katholische Laientreffen mit über 1000 Einzelveranstaltungen besuchen, für die das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) verantwortlich zeichnet.

Brücken sollen geschlagen werden zu Staat und Gesellschaft, deren Repräsentanten von Bundespräsident Joachim Gauck bis Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Teilnahme zugesagt haben. Aber Brücken sollen auch zu den evangelischen Kirchen geschlagen werden, die durch zahlreiche Bischöfinnen und Bischöfe vertreten werden.

Nicht zuletzt gilt es, innerkatholische Brücken zu schlagen über so kontroverse Themen wie Diakonat der Frau, Alternativen zum Zölibat, Zulassung geschiedener Wiederverheirateter zu den Sakramenten oder eine stärkere Einbeziehung der Laien in die Leitung der Kirche.

Doch der Katholikentag tut gut daran, sich nicht nur mit sich selbst zu beschäftigen, sondern die menschenfreundliche Art von Papst Franziskus zu nutzen, um neues Vertrauen zu gewinnen, das durch den sexuellen Missbrauch, die Geldverschwendung durch den Bau eines neuen Limburger Bischofssitzes sowie die durch Priestermangel bedingte Umstrukturierung der kirchlichen Basis schwer gelitten hat.

Dieses neue Vertrauen ist notwendig, um die eigentlichen Probleme der Kirche zu lösen, nämlich der Rückgang der kirchlichen Bindung ihrer Mitglieder und die zunehmende Gottvergessenheit der Menschen in der säkularen Gesellschaft. Der Katholikentag in Regensburg findet jedenfalls in einer innerkirchlich neuen Atmosphäre statt - und die verdankt er Papst Franziskus. Er hat die Lehren der katholischen Kirche bisher nicht verändert (das kann er auch gar nicht), aber er hat ein neues Klima der Offenheit geschaffen.

Auch in Deutschland. Bundespräsident Joachim Gauck hat dieser Tage eindrücklich daran erinnert, dass es für dieses Land "nicht gleichgültig ist, wie in der Kirche von Gott gesprochen wird, ja, ob überhaupt noch vernehmbar und verstehbar von Gott gesprochen wird". Hier ergibt sich für das Regensburger Katholikentreffen eine große Chance. Zum Glück sollen die Brücken nicht aus eigener Kraft gebaut werden, sondern "mit Christus", wie das ganze Leitwort lautet.

Bleibt zu hoffen, dass sich der 99. Deutsche Katholikentag neu mit den Worten von Bundespräsident Gauck darauf besinnt, "wie die junge Kirche einst in der alt gewordenen römischen Welt wuchs und gedieh und überzeugte: als moralische und spirituelle Avantgarde, als eine frische, eigensinnige, vor allem aber als eine von ihrer Aufgabe überzeugte Gemeinschaft".

Dann wird Regensburg auch neue und belastbare Brücken über alle noch trennenden Gräben hin zu den evangelischen Christen im Land bauen, die sich schon jetzt intensiv auf ihren 500. Jahrestag der Reformation 2017 vorbereiten.

Dann wird dieses Jubiläum kein Fest der Trennung, sondern ein Fest der neugefundenen Einheit. Wenn Kirchen und Christen mit einer Stimme sprechen und gemeinsam Brücken errichten, werden sie in der Gesellschaft auch wieder positiver wahrgenommen.

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