Kommentar Irak und der Nahe Osten - Ganz neue Allianzen

Mit Empörung betrachten Israelis in diesen Wochen, wie sie in vielen Teilen der Welt wegen ihrer Rolle im Gaza-Krieg verurteilt werden. Dabei übersehen viele, dass die Lautstärke der Proteste mit wachsender geografischer Nähe zu Israel abnimmt.

Noch nie hat die arabische Welt bei einem Militäreinsatz des jüdischen Staates so stillgehalten. Grund ist der Vormarsch der sunnitischen Gotteskrieger der IS im Irak: Israels Operation gegen die Hamas in Gaza wird in Ägypten, in Saudi-Arabien und den meisten Golf-Monarchien als Teil eines großen Anti-Terror-Kampfes gesehen.

Hierfür hat die saudische Monarchie erst diese Woche 100 Millionen US-Dollar an die Vereinten Nationen übergeben, für ein Anti-Terror-Zentrum der UN, das 2011 auf Initiative von Riad ins Leben gerufen worden war. Obwohl die Saudis selbst Sunniten sind und indirekt durch Waffenlieferungen an die sunnitische Opposition gegen Baschir al-Assad in Syrien zur Aufrüstung von IS beigetragen haben, zählen im Kampf gegen den "Islamischen Staat" keine Glaubensgemeinschaften mehr.

So wie die IS-Dschihadisten nicht nur Jesiden, Christen und Schiiten kaltblütig abschlachten, sondern auch sunnitische Muslime, die in ihren Augen nicht gottesfürchtig genug leben, bildet sich nun eine große Allianz, in der sogar Israel als Verbündeter gesehen wird.

Was der grausame Bürgerkrieg in Syrien nicht vermocht hat - dass der Westen aktiv in die Gefechte eingreift, um schlimmste Menschenrechtsverletzungen zu verhindern - hat das selbsternannte Kalifat der IS erreicht. Einer der Gründe ist, dass die inzwischen zurückgetretene Regierung von Premier Maliki selbst ausländische Militärunterstützung und Waffenlieferungen angefordert hatte.

Nach Malikis erzwungenem Rücktritt besteht immerhin eine Chance, dass die strikte Ausgrenzung von Sunniten aus dem irakischen Machtgefüge rückgängig gemacht wird. Auch will und muss der Westen verhindern, dass das kurdische Autonomiegebiet im Nordirak, das als politisch relativ stabile Region auch wirtschaftlich prosperiert, dem IS einverleibt wird.

Und vor dem Kurdengebiet würde IS nicht haltmachen - ihre Terrorbanden stehen schon seit Monaten vor den Toren Bagdads. Als nächstes sind der Libanon und Jordanien gefährdet. Der Westen hat zu lange tatenlos zugeschaut. Gegen die mit modernstem Kriegsgerät ausgestatteten Gotteskrieger hilft keine Diplomatie.

So ist folgerichtig, dass die EU nun nach den USA Waffen liefern will, und die Bundesregierung sich nicht mehr hinter dem Vorwand versteckt, die Rüstungsexportregeln erlaubten keine militärische Ausrüstung der irakischen Armee und der kurdischen Peschmerga. Mehr noch als am Hindukusch wird Deutschlands Sicherheit vor Terrorangriffen heute an Euphrat und Tigris verteidigt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Helge Matthiesen
zu den weltweiten Militärausgaben
Eine andere Welt
Kommentar zu den weltweiten MilitärausgabenEine andere Welt
Zum Thema
Nur Warten reicht nicht
Kommentar zur Frühjahrsprognose Nur Warten reicht nicht
Falsche Zeichen
Kommentar zum Treffen von Steinmeier mit Erdogan Falsche Zeichen
Bekenntnis zur Truppe
Kommentar zum Veteranentag Bekenntnis zur Truppe
Aus dem Ressort