Kommentar Irak - Nur ein Vorgeschmack

Zu den verblüffendsten und beunruhigendsten Aspekten des Aufstiegs der selbsternannten Gründer eines neuen Kalifats gehört der Umstand, wie weit dies schaurige Gewächs gedeihen konnte, bevor die Welt aufmerksam wurde.

Eben noch radikales Widerstandsgrüppchen in Assads Syrien, ist die ISIS (jetzt IS) nunmehr eine der Schlüsselgrößen im Mittleren Osten.

Die Organisation "Islamischer Staat" mutet in Auftreten und Brutalität mittelalterlich an. In anderer Beziehung ist sie indes auf der Höhe der Zeit: Sie verfügt über Strukturen (Polizei, Scharia-Justiz), über Steuern und Schutzgelder, Dämme, Ölquellen und -raffinerien, moderne Waffen und Kommunikationstechnik und ein zusammenhängendes Territorium, das mittlerweile den Nordosten Syriens und ein Drittel des Irak umfasst.

Ein "Staat" wollen sie sein, und das ist mehr als großsprecherischer Unsinn. Was die bärtigen Krieger des Kriegsfürsten al-Baghdadi bislang auf die Beine gestellt haben, sieht gefestigter aus als alles, was Taliban, Al-Kaida und andere Mitbewerber in Sachen Super-Islamismus vorweisen können.

Das macht die Aufgabe für ihre Gegner im Westen so schwierig: Mit einem solchen Widersacher haben sie es noch nicht zu tun gehabt. Die USA, die EU, Deutschland - sie alle stehen vor einer strategischen Grundsatzfrage: Wie groß ist die Gefahr, die von IS ausgeht, und was ist man bereit, ihr entgegenzusetzen?

Die konfuse Debatte um Waffenlieferungen an die Kurden ist womöglich nur der Vorgeschmack einer noch viel unbequemeren politischen Bewährungsprobe - der Wiederkehr des Problems Irak.

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