Kommentar Homosexualität und Steuern - Neue Partner

Ess gehört schon eine gewisse Portion Courage dazu, in der Union aus CDU und CSU offen für eine steuerliche Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften einzutreten. Die gesellschaftspolitischen Beharrungskräfte, die in den beiden Parteien wirken, sind noch enorm.

Abgeordnete aus Baden Württemberg oder Bayern sind mit einem Denken groß geworden, das Homosexualität komplett tabuisiert. Die Bestrafung der gleichgeschlechtlichen Liebe war lange Zeit Inhalt des Paragrafen 175, der letztendlich erst Anfang der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts außer Kraft gesetzt wurde.

Inzwischen hat die bayerische CSU aus bitterer Erfahrung die neue Realität anerkennen müssen. Ein schwuler SPD-Mann erobert im tiefschwarzen Bodenmais den Bürgermeisterposten von dem als unbesiegbar geltenden CSU-Mitbewerber. Das mag eine Ausnahme bleiben: Aber den CSU-Granden wurde schlagartig klar, dass man mit den herkömmlichen Klischees über Homosexuelle nicht mehr weiterkommt.

Dies gilt umso mehr für die politische Auseinandersetzung in der Bundeshauptstadt. Es ist dem offenen Umgang mit der Neigung zu verdanken, dass sie in weiten Teilen des politischen Lebens Normalität geworden ist. Guido Westerwelle war einer der ersten Politiker, der sich offen zur Homosexualität bekannt hat. Er ist der erste schwule Politiker am Kabinettstisch.

Klaus Wowereit versucht auf landespolitischer Ebene, einen gemeinsamen Draht zu dem ebenfalls schwulen neuen SPD-Landesvorsitzenden Jan Stoß zu finden. Die Realität verändert Politik. Die Union beginnt sich mit den neuen Umständen anzufreunden. Sie steht - über kurz oder lang - vor einem unaufhaltsamen gesellschaftlichen Kurswechsel.

Der Antrag der 13 Abgeordneten kommt zu einem klug gewählten Zeitpunkt. Denn das Bundesverfassungsgericht hatte vor wenigen Tagen entschieden, dass Beamte, Soldaten und Richter, die in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft wohnen, im Besoldungs- und Versorgungsrecht Ehegatten gleichgestellt werden.

Damit fällt die letzte bedeutsame Hürde: Im Grunde genommen werden homosexuelle Ehen den gemischt-geschlechtlichen Beziehungen gleichgestellt. Familienministerin Kristina Schröder begründete einleuchtend, die steuerliche Gleichstellung anerkenne die Tatsache, dass Menschen "dauerhaft Verantwortung füreinander" übernehmen und konservative Werte leben.

Ob Angela Merkel die neue familienpolitische Lage auch so einschätzt? Die CDU-Vorsitzende hat vor allem dem konservativen Flügel ihrer Partei in ihren bisher sieben Amtsjahren schon einiges an politischen Entwicklungen zugemutet. Von ihrer Haltung wird der Verlauf der weiteren Debatte entscheidend abhängen. Viel Zeit bleibt ihr bis zum nächsten CDU- Bundesparteitag, der Anfang Dezember in Hannover stattfinden wird, nicht.

Stellt sie sich hinter das Anliegen der 13 Unions-Männer und -Frauen, wird es auf dem Parteitag allenfalls Gemurre geben. Mehr aber auch nicht. Es gibt weit größere Krisen, die im Vordergrund stehen sollten. Selbst wenn sie das Projekt bis zur Bundestagswahl 2013 verschiebt, würde es nur an dem Zeitpunkt des Vollzuges etwas ändern. Unabhängig davon: Die anderen Parteien unterstützen die steuerliche Gleichberechtigung.

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