Kommentar Hochwasser-Katastrophe: Gelebte Solidarität

Obdachlose Menschen, weinende Kinder, Alte und Kranke, die auf Hilfe angewiesen sind: Die Hochwasser-Katastrophe macht erneut deutlich, mit welcher Macht die Natur Unheil bringen kann und wie hilflos die Menschen in solchen Situationen sind. Doch derlei Herausforderungen fördern auch Tugenden zu Tage, die im Alltag allzu oft nicht mehr gelebt werden: Hilfsbereitschaft und Solidarität.

In den Hochwasser-Gebieten sind Zehntausende Tag und Nacht auf den Beinen, um den Betroffenen zu helfen, für Essen und Trinken zu sorgen, um Sandsäcke zu schleppen oder Dämme zu verstärken. Nahezu alle Helferinnen und Helfer arbeiten ehrenamtlich.

Junge Menschen melden sich freiwillig, weil sie nicht tatenlos zu Hause vor dem Fernseher sitzen wollen. Das ist vorbildlich und dient auch als Beleg dafür, dass so manche Aussage über die vermeintlich faule und egoistische junge Facebook-Generation schlicht Quatsch ist. Ja, es gibt die sozial Inkompetenten - in jeder Gesellschaft und übrigens auch in jeder Generation.

Doch in diesen Tagen zeigen uns die Ehrenamtlichen das andere, das zukunftsweisende Gesicht einer Gesellschaft. Solidarität wird gelebt, wenn es darauf ankommt. Diese Erkenntnis sollte haften bleiben, wenn sich das Wasser zurückgezogen hat und die Menschen sich ans Aufräumen machen.

Spätestens dann aber muss auch die Politik handeln. Die Umweltminister der Länder beschlossen gestern, nach der Katastrophe eine Fehler- und Schwachstellenanalyse vorzulegen. Viel ist seit dem Hochwasser von 2002 getan worden, an zahlreichen Stellen blieb deshalb dieses Mal das Schlimmste aus.

Klar ist, dass auch Deiche und Dämme nicht mehr schützen, wenn die Regenfälle und die folgenden Wassermassen Dimensionen erreichen, wie dies in den vergangenen Tagen der Fall war. Klar sind aber auch die meisten Experten in ihrer Meinung, dass an vielen gefährdeten Stellen die Schutzmaßnahmen in der Höhe ausgereizt sind. Das Wasser braucht die Breite und damit mehr Fläche, die wiederum von den Menschen in Anspruch genommen wird. Die vielerorts begradigten Flussläufe führen zu höheren Fließgeschwindigkeiten - ebenfalls ein Aspekt, der seit vielen Jahren ebenso intensiv wie häufig folgenlos diskutiert wird.

Das zweite "Jahrhundert-Hochwasser" in elf Jahren macht deutlich, dass die Maßnahmen noch nicht ausreichen. Bundeskanzlerin Merkel und andere Bundes- wie Landespolitiker versprachen den Opfern vor Ort schnelle Hilfe. Das ist richtig - und selbstverständlich. Jetzt geht es um Akutfälle. Danach aber geht es um mutige umweltpolitische Entscheidungen. Das erfordert Kompetenz und kostet Geld, bleibt aber unumgänglich. Denn die nächste Hochwasser-Katastrophe wird kommen.

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