Kommentar Griechenland und die Geduld - Spiel mit dem Feuer

Es gab vor Jahrzehnten in der Bundesrepublik mal den Fall, dass eine extremistische Gruppierung "klammheimliche Freude" über das schlimme Schicksal ihrer Gegner äußerte. Daran fühlt man sich erinnert, wenn man jetzt die Reaktionen auf den absehbaren Staatsbankrott Griechenlands hört.

Natürlich: Die Griechen haben über ihre Verhältnisse gelebt, sie haben Schulden aufgehäuft, sie haben ihre Wirtschaft, ihren Staat, ihre Strukturen nicht modernisiert. Aber sie sind deswegen noch längst nicht allein an ihrem Schicksal Schuld, einem Schicksal, das deutschen Konzernen gute Absatzmöglichkeiten im Land der ungenutzten Möglichkeiten garantierte. Härter formuliert: Deutschland und seine Wirtschaft haben von der griechischen Entwicklung profitiert.

Jetzt ist Hilfe angesagt. Denn ein Bankrott Griechenlands, einhergehend mit dem Austritt aus der Euro-Zone (einen Ausschluss gibt es nicht), hilft langfristig noch nicht einmal dem Land selbst. Denn wer nicht mehr dazugehört, wird wirtschaftlich auf Dauer noch weiter abgehängt.

Deshalb ist es schon ziemlich erschreckend, wenn ausgerechnet der deutsche Wirtschaftsminister öffentlich erklärt, für ihn habe ein Austritt Griechenlands "längst seinen Schrecken verloren". Weiß der Mann nicht, wovon er redet?

Man könnte ja noch argumentieren, dass ein so kleines Euroland wie Griechenland die Euro-Statik nicht ins Wanken bringen könne - auch wenn man angesichts der vergangenen Wochen wissen könnte, dass schon das nicht stimmt. Aber selbst wenn es so wäre: Es geht gar nicht mehr um Griechenland.

Es geht wie im so oft zitierten Beispiel des Pullovers um den Faden, der, einmal gezogen, das ganze Ding aufwickelt. Heißt: Geht Griechenland in die Knie, werden sich die Spekulationen gegen den Nächsten richten (was sie genau genommen schon tun). Und wenn dieser nächste Spanien heißt, dann wird es richtig ernst.

Wer also glaubt, Griechenland verstoßen zu dürfen, handelt im eigenen Interesse fahrlässig. Genauso fahrlässig übrigens wie die anderen FDP-Politiker, die jetzt die Troika unter Zeitdruck setzen wollen, die die Entwicklung in Athen zu prüfen hat. Wer öffentlich Fristen in Zweifel zieht, macht sie faktisch hinfällig. Folge: neue Hektik, neuer Bedarf.

Es ist mittlerweile kein Geheimnis mehr, dass die Eurostaaten in der Griechenlandkrise falsch gehandelt haben, weil sie nur auf Sparziele gesetzt haben. Dass diese nicht fristgerecht verwirklicht werden, ist Schuld Griechenlands.

Dass so gut wie jeder Schritt unterblieb, der dem Land wirtschaftlich wieder auf die Beine hilft, war dagegen der schwerwiegendere Fehler. Die Folge kann also nur sein: Die Sommerpause muss genutzt werden, nicht um Drohgebärden auszustoßen, sondern um endlich einen plausiblen Hilfsplan zu entwickeln. Der Euro, so paradox es klingt, braucht Athen.

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