Kommentar Griechenland: Europa und die Krise

Europa verbringt seine Tage mit Spekulationen. Niemand kann vorhersehen, was am kommenden Sonntag in Griechenland geschieht und welche Folgen es für Europa haben wird. Die einen läuten schon mal das Totenglöcklein für die Union.

Andere glauben, dass sich letztlich gar nichts ändern wird. Klar ist nur, dass die Griechen selbst die größte Last zu tragen haben werden, ganz egal wie sie sich entscheiden.

Fünf Jahre schon dauert die Krise in Griechenland, und weil das Land nur über einen schwach organisierten Staat verfügt und die Wirtschaft nicht konkurrenzfähig ist, blieben alle Sparanstrengungen letztlich erfolglos. Ganz gleich also wie die Debatten ausgehen, für die Griechen geht es nur um das Maß der Einschränkungen, die sie in Zukunft zu erdulden haben. Wenn die Griechen selbst darüber abstimmen, ob sie mit den Euro-Partnern weitermachen oder einen eigenen Weg suchen, dann liegt die Entscheidung an der richtigen Stelle. Das mag für die Politiker der anderen Länder frustrierend sein. Griechenland hat sich als unseriöser Verhandlungspartner erwiesen. Es ist indes das gute Recht von demokratischen Ländern, demokratisch abzustimmen. Auch das ist Teil des europäischen Wertesystems.

Angela Merkel wird nicht müde zu sagen, wenn der Euro scheitere, dann scheitere Europa. Diese Einschätzung klingt schlüssig und verkennt doch, dass der Euro nur in einem Teil Europas überhaupt Realität ist. In Skandinavien und Großbritannien mochte man sich zu keiner Zeit mit der Gemeinschaftswährung anfreunden. Diesen Geburtsfehler des Euro hat man anfangs als starke Belastung, ja als Scheitern der Idee Europas empfunden. Inzwischen redet niemand mehr darüber, weil Europa sehr gut damit leben kann. Es ist also kein Drama für die politische Union, wenn der Euro neben den Eintritten auch einen Austritt zu verkraften hat. Sieht man einmal vom absehbaren wirtschaftlichen Schaden ab, bleibt ein überschaubares politisches Problem. Schwieriger wäre die Lage, wenn die großen Krisenländer wie Spanien oder Italien den Weg Griechenlands einschlügen. Derzeit kommen von dort indes die scharfen Töne gegen undisziplinierte Griechen. Die Eurozone scheint sich rund um das Verhandlungsdrama mit den Griechen ansonsten eher zusammengerauft zu haben.

Europa ist noch lange nicht am Ende, die große Idee nicht gescheitert. Wer gemeinsam so intensiv um die Zukunft eines Landes ringt, hat nicht aufgegeben. Es ist durchaus möglich, ja wahrscheinlich, dass es nach einem Referendum weitere Verhandlungen gibt, um den Griechen zu helfen. Europa muss sich nämlich vor einem wirtschaftlich instabilen Land an seiner Südostküste mehr fürchten als vor der Rückkehr der Drachme. Ein gescheiterter Staat in der Nachbarschaft Libyens und Ägyptens - das wäre die eigentliche Katastrophe.

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