Kommentar Griechenland - Asche in Athen

Auferstanden aus der Asche: Die antike Sage vom Vogel Phönix, der am Ende seines Lebens verbrennt, um verjüngt und voller Kraft emporzusteigen, scheint sich nach der überraschend erfolgreichen griechischen Rückkehr auf die Kapitalmärkte aufzudrängen.

Drei Milliarden Euro sammelte Athen gestern mit seiner Anleihe bei internationalen Anlegern ein. Die Märkte setzen wieder Vertrauen in Griechenland. Dabei ist es gerade einmal vier Jahre her, dass das Land in einem dramatischen Akt internationaler Nothilfe vor dem Staatsbankrott gerettet werden musste.

Ist es Zeit, einen Strich unter die Griechenland-Krise zu ziehen? Ist das Thema reif für die Aufarbeitung in volkswirtschaftlichen Seminaren und Politikvorlesungen?

Die nüchternen Zahlen geben zu so viel Optimismus keinen Anlass. Von einem hellenischen Wirtschaftswunder kann nicht die Rede sein. Die EU-Kommission prognostiziert für das laufende Jahr eine auf niedrigem Niveau stagnierende Wirtschaftsleistung, die Arbeitslosigkeit bleibt auf bedrückend hohem Stand.

Die trotz aller Sparanstrengungen und des 100-Milliarden-Euro-Schuldenschnitts von 2012 gigantische Staatsschuld wird auf absehbare Zeit verhindern, dass der griechische Staat mit Investitionen seine Binnenwirtschaft in Schwung bringt. Die Haushaltszahlen des Athener Finanzministeriums werden auch in diesem Jahr tiefrot ausfallen.

Die internationalen Finanzinvestoren, die gestern die griechische Anleihe kauften, schenkten ihr Vertrauen nicht dem hellenischen Staat, sondern der Zusage der Euro-Länder und insbesondere der deutschen Bundeskanzlerin, Griechenland nicht fallen zu lassen. Der europäische Steuerzahler dient den Käufern als Sicherheit, nicht der griechische.

Apropos Bundeskanzlerin: Angela Merkels heutiger Besuch in Athen ist ein ziemlich unmaskierter Versuch der Wahlkampfhilfe für die sozialdemokratisch-konservative Regierung von Ministerpräsident Antonios Samaras für die Europawahlen im Mai, die ein wichtiger Stimmungstest für die Regierung sind.

Seit Monaten liegt in den griechischen Umfragen die linksradikale Oppositionsgruppierung Syriza in Front. Deren Chef Aleksis Tsipras sieht im Sparprogramm der Regierung einen "sozialen Holocaust", seine Partei fordert umfassende Verstaatlichungen und eine Neuverhandlung der internationalen Finanzhilfen. Für die Kanzlerin eine Horrorvorstellung, wenn eine griechische Regierung mit einem Premier Tsipras an der Spitze sich anschicken würde, aus den internationalen Verpflichtungen ihres Landes auszusteigen.

Von allen Euro-Schuldenstaaten bleibt Griechenland der mit dem größten Risikopotenzial. Oder, um im Bild vom Phönix zu bleiben: Außer der Asche, aus der der mythische Vogel hoffentlich aufsteigt, ist in Athen noch nicht viel zu sehen.

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