Kommentar Glaubwürdigkeit der griechischen Regierung - Tsipras enttäuscht
Brüssel · Man braucht kein gutes Gedächtnis, um den griechischen Premier der Unglaubwürdigkeit zu überführen. Es ist erst wenige Wochen her, als Alexis Tsipras am Rande des EU-Gipfels mit der Kanzlerin und weiteren Gesprächspartnern das Versprechen abgab, nun werde alles "sehr schnell" gehen. Die zugesagte Reformliste reiche man "zügig" ein. Davon blieb nichts oder nur Unbrauchbares übrig.
Wie will der Athener Premier sich heute aus der Affäre ziehen? Bislang mochte die politische Springprozession ja noch als Anfängerfehler durchgehen. Doch längst wendet sich das Blatt. Denn was sich die hellenische Regierung leistet, schadet nicht mehr nur der europäischen Familie, der man angeblich unbedingt angehören will.
Tsipras beschädigt auch sein Land. Denn die Menschen dort wollen keine Rückkehr zu bisherigen Verhältnissen, von denen sie wissen, dass sie keine Zukunft sichern. Sie hatten darauf gehofft, dass der Linke im Regierungssitz wenigstens das tut, was seine Ideologie nahelegt: soziale Gerechtigkeit schaffen, die Wohlhabenden an der Sanierung des Landes beteiligen, der sie sich so lange entzogen haben. Der Mann enttäuscht - nicht nur in Brüssel, sondern auch zu Hause.
So bitter es ist: Weder eine Rückkehr zu höheren Renten noch der Schlendrian bei der Eintreibung von Steuern machen aus Griechenland ein wettbewerbsfähiges, stabiles Gebilde. Der Weg dahin führt nur über Reformen. Diese zu verweigern und alles bereits Eingeleitete zurückzunehmen, kommt einer Versündigung an denen gleich, die auf Tsipras so viel Hoffnung gesetzt haben.