Kommentar Gewalt gegen Frauen - Erschreckend

Altherrenwitz oder sexuelle Belästigung? Als vor gut einem Jahr die "Brüderle-Affäre" die Gemüter in Deutschland erhitzte - eine Journalistin hatte dem damaligen FDP-Spitzenkandidaten vorgeworfen, anzügliche Bemerkungen über ihr Dekolleté gemacht zu haben - war die sich anschließende Sexismus-Debatte vor allem Internet-getrieben.

Zehntausende Frauen berichteten in Twitter-Meldungen von Belästigungen und Übergriffen. Damit stand die Diskussion auf tönernen Füßen: Verlässlichkeit ist nicht gerade die Stärke des Internets.

Mit der gestern vorgestellten Studie hat die Debatte eine neue Grundlage: Die Datenbasis - also die Zahl der Befragten - ist ebenso beeindruckend wie die Ergebnisse erschreckend sind: Jede dritte Frau in Europa gibt an, sie habe seit ihrer Jugend einmal körperliche oder sexuelle Gewalt erlebt. Und jede fünfte hat diese Gewalt durch den eigenen Partner erfahren.

Allerdings ist diese Untersuchung auch ein weiterer Beleg dafür, dass Studien genau gelesen werden müssen - sonst können sie leicht zu falschen Schlüssen führen. So liegen die nordischen Länder zwar bei der Gewalt-Rate an der Spitze, dass es dort gewalttätiger zugeht als in anderen Ländern, ist aber nicht zwingend. Wo Frauen selbstbewusster sind, die Gleichberechtigung stärker ausgeprägt ist, gibt es auch mehr Anzeigen.

Davon unabhängig gilt: Gewalt gegen Frauen und sexuelle Belästigung sind in Europa keine Ausnahme, sondern Alltag. Eine ernsthafte Debatte über die Ursachen ist dringend erforderlich.

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