Kommentar Gauck in Griechenland - Schulden und Sühne

Griechen und Deutsche: Das früher herzliche Verhältnis zwischen beiden Ländern ist seit Beginn der Euro-Krise vergiftet. Dort Verbitterung über eine Austeritätspolitik, von der viele Hellenen meinen, sie sei ihnen von Deutschland oktroyiert worden. Hier Hohn und Verbitterung über Pleite-Griechen.

Viele Deutsche glauben, dass sie für die jahrelange Misswirtschaft und das verrottete Athener Staatswesen mit ihren Steuergeldern gerade stehen sollen. Neu erstandene Klischees und Vorurteile vermengen sich mit alten Ressentiments und deutscher historischer Schuld, die viele Griechen in bare Münze umgewandelt sehen wollen. Eine ungute Mischung.

Die Verbitterung hat Bundespräsident Joachim Gauck gestern in Athen umgehend zu spüren bekommen. Dass sein Gastgeber Karolos Papoulias Gauck gleich zu Beginn seines Griechenland-Besuchs auf milliardenschwere Reparationsforderungen ansprach, über die nun bald verhandelt werden müsse, ist nicht weniger als eine grobe Unhöflichkeit.

Erstens ist der Bundespräsident nicht die Instanz, über eine solche Frage zu entscheiden. Zweitens steht die Forderung, fast 70 Jahre nach Kriegsende, rechtlich auf äußerst schwachen Füßen. Die Regierung in Athen wäre schlecht beraten, mit Berufung auf moralische Verantwortung und Sühne für Gräuel der Vergangenheit von einem EU-Partner Milliardenzahlungen erwirken zu wollen.

Dies wird Gauck, dem seine persönliche Geschichte das nötige moralische Schwergewicht verleiht, seinen Gastgebern beibringen müssen, ohne neue Wunden zu schlagen.

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