Kommentar Frankreich - Im Sumpf

Als Nicolas Sarkozy 2012 erbittert, wenn auch erfolglos um seine Wiederwahl kämpfte, vermuteten böse Zungen dahinter nicht nur politischen Ehrgeiz, sondern auch Furcht vor der Justiz: Einmal von seiner Immunität befreit, könnte er in Schwierigkeiten geraten, hieß es.

Das war boshaft, aber nicht falsch. Und wenn er nun juristischen Ärger hat, dann sogar in weit größerem Ausmaß: Abhören eines ehemaligen Präsidenten wegen des offenbar begründeten Verdachts auf illegale Wahlkampf-Finanzierung - das war noch nie da. Zumal es ihn in zwei weiteren Affären belastet.

Auch für Sarkozy gilt zwar die Unschuldsvermutung bis zum Beweis des Gegenteils. Und doch werfen die Enthüllungen ein zweifelhaftes Bild auf die Amtsführung eines Mannes, der im Hintergrund an zahlreichen Strippen der Macht zog und der Geldelite stets gefährlich nahe stand.

Vom Verdacht der Annahme von Schmiergeldzahlungen über das Abhören von Journalisten bis zu ohne Ausschreibung und auf Staatskosten beauftragte Umfragen - wer versucht, die Affären des Ex-Präsidenten zu verfolgen, verliert leicht den Überblick. Inzwischen drohen sie, seine Comeback-Pläne ernsthaft zu gefährden.

Die Auswirkung auf das Bild, das die französische Politik abgibt, ist verheerend. Wer wie so viele enttäuscht ist von Präsident Hollandes zögerlichem Kurs und einer Opposition, die nur mit eigenen Streitigkeiten und Skandalen beschäftigt ist, wendet sich entweder ganz ab. Oder Marine Le Pen zu, die verspricht, anders, besser und ehrlicher zu sein, auch wenn sie den Beweis bisher schuldig blieb. Und damit dem Extremismus.

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