Kommentar Entscheidung bei Volkswagen - Ende des ersten Aktes

Ist das jetzt das Ende der Ära Piëch bei Volkswagen? Der VW-Aufsichtsratschef hatte sich seinen gestrigen 78. Geburtstag sicher anders vorgestellt. Martin Winterkorn dagegen kann erst einmal einen Erfolg feiern. Mit großer Mehrheit sprach sich das Präsidium des Aufsichtsrats gestern für seinen Verbleib als Vorstandschef aus.

Ja, dem fast 68-Jährigen wurde sogar noch eine Verlängerung seines Vertrages in Aussicht gestellt; eine zusätzliche Spitze gegen Ferdinand Piëch. Der hat die Machtprobe mit seinem Ziehsohn klar verloren und ist nun isoliert. Salzburger Knock-out, wie ein Online-Magazin titelte. Piëch hat wohl bei seiner öffentlichen Attacke die Verbindungen Winterkorns in den Aufsichtsrat unterschätzt.

Doch viele Fragen bleiben: Wie geht es denn jetzt weiter in den Führungsgremien des größten europäischen Autokonzerns? Wie soll man sich die künftige Zusammenarbeit zwischen Chefkontrolleur Piëch und Winterkorn vorstellen? Auf "Distanz", um Piëchs Wortwahl im "Spiegel"-Interview zu zitieren? Müsste nicht jetzt Piëch sein Amt zur Verfügung stellen, nachdem sich der übrige Aufsichtsrat gestern gegen ihn gewandt hat? Der Patriarch vertritt allerdings einen erheblichen Teil der Kapitalinteressen. Und wer sollte Piëch im Amt des Chefkontrolleurs folgen, jetzt oder bei Ablauf seiner regulären Amtszeit im Frühjahr 2017? Bisher galt als ausgemacht, dass Winterkorn auf Piëch folgt. Einiges spricht dafür, dass im VW-Führungsdrama gestern noch nicht der letzte Vorhang gefallen ist, sondern die Entscheidung in Salzburg nur das Ende des ersten Aktes war.

Piëch hat öffentlich die Qualifikation Martin Winterkorns und dessen möglichen künftigen Wechsel an die Spitze des Aufsichtsrats in Zweifel gezogen. Winterkorns Ruf ist angekratzt. Tatsächlich steht im weltweiten Volkswagenreich nicht alles zum Besten. Unter Winterkorns Führung wurden zwar in den vergangenen Jahren Rekordumsätze und Rekordgewinne eingefahren, doch das gilt auch für andere deutsche Autobauer. Daimler ist zu alter Ertragsstärke zurückgekehrt, BMW fährt ohnehin schon länger auf der Überholspur. Opel und Ford hängen deutlich hinterher, das hat aber auch damit zu tun, dass sie von US-Konzernen gelenkt werden. Der deutschen Autoindustrie helfen ein niedriger Spritpreis und die blendende Konsumlaune, die Exporte befeuert ein schwächelnder Euro.

In den USA, wo die Konkurrenz Erfolge feiert, hat VW in den vergangenen Jahren Marktanteile verloren. Bei der Modellpolitik habe man dort nicht alles richtig gemacht, räumt selbst Winterkorn ein. Auch wenn die Konzerntochter Audi glänzt, die Kernmarke VW schwächelt, pro verkauftem Auto bleibt zu wenig hängen. Winterkorn will mit einem Sparprogramm bei VW gegensteuern. Die Rekordgewinne der Vergangenheit sind keine Grundlage für künftigen Profit.

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