Kommentar Eklat um die Dirigenten-Wahl - Letzte Chance

Bonn · Es mag nach den Vorgängen der vergangenen Tage zweckoptimistisch scheinen, wenn man noch ein Lösung im verfahrenen Konflikt um die Suche nach einem neuen Generalmusikdirektor für Bonn sehen will.

In dem blamablen Machtpoker haben schließlich fast alle Beteiligten heftige Blessuren abbekommen: das Beethoven Orchester, die Findungskommission, die Kandidaten und die Kulturverwaltung.

Mit Marc Piollets Absage ist der Kandidat der Findungskommission nicht mehr im Spiel. Es wäre nun allerdings falsch, der Kommission die Entscheidung, die sie getroffen hatte, anzulasten, ihr den Schwarzen Peter zuzuschieben. Denn dass sich die Findungskommission - wenngleich nicht einstimmig - auf einen Namen geeinigt hatte, kann man ihr ja nicht verübeln. Das ist schließlich ihr Job.

Generalintendant Bernhard Helmich und Beethovenfest-Intendantin Nike Wagner, die sich zu den Vorgängen selbst noch nicht oder nur sehr verhalten geäußert haben, werden bei ihrem Votum natürlich eigene Interessen im Blick gehabt haben. Die Oper der eine, das Beethovenfest die andere. Auch das kann man ihnen nicht anlasten, denn auch dafür wurden sie in die Kommission berufen.

Allerdings hätte Kulturdezernent Martin Schumacher, der als Moderator die Suche nach Stefan Bluniers Nachfolger begleitet, die völlig eskalierte Situation sehr viel früher entschärfen müssen. Denn nicht erst seit der Abstimmung des Orchesters mit dem ganz und gar ungewöhnlichen 98-prozentigen Votum für Märkl - und gegen Piollet - war längst klar, dass es in den Reihen der Musiker brodelte.

Dass es erst am vergangenen Freitag zu einem Gespräch zwischen Kulturdezernent und Orchester kam, war viel zu spät. Und auf die formaljuristisch korrekt verlaufene Entscheidung für Piollet zu beharren, ein Fehler. Hier hätten früher mehr und konstruktivere Gespräche geführt werden müssen. Der Dirigent Peter Gülke, der neben Helmich und Wagner der Findungskommission angehörte, hatte recht, als er in dieser Zeitung darauf hinwies, dass man nicht über die Köpfe eines so hoch spezialisierten Ensembles hinweg entscheiden dürfe.

Schumachers Bemerkung, dass "von verschiedenen Seiten Interna an die Öffentlichkeit gelangt" seien, ist als Begründung für die Aussetzung des Verfahrens zu fadenscheinig und nicht akzeptabel. Warum will er eigentlich Jun Märkl nicht? Wie zu erfahren war, steht der Dirigent nämlich nach wie vor bereit, 2016 in die Fußstapfen von Stefan Blunier zu treten.

Man sollte diese letzte Chance ergreifen. Gegen Märkl spricht eigentlich nichts. Der Dirigent ist internatonal anerkannt und wird von den Musikern geschätzt. Wenn das Verfahren jetzt für ungewisse Zeit ausgesetzt wird, gefährdet Schumacher nicht nur die Spielzeitplanung für 2016/17, sondern auch die Vorbereitungen im Hinblick auf das Beethoven-Jubiläumsjahr 2020.

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