Kommentar zu Obamas Außenpolitik in Syrien Ein schiefes Bild

Soweit ist es also gekommen, wenn Amerika von hinten führt. Dann wird gezaudert, gedroht, verworfen und schließlich eingeknickt. Wladmir Putin, gestern noch wegen Krim und Ukraine persona non grata, stößt in das Machtvakuum und nimmt in Syrien mit Teherans Segen die Kräfte vom Spielfeld, die Amerika militärisch fördert, um in Damaskus Diktator Assad zu stürzen.

Nebenwirkung: Der Islamische Staat, Krebsgeschwür für die Region und darüber hinaus, kann weiter wuchern. Und Washington? Schaut pikiert zu, weil eine Intervention einen russisch-amerikanischen Crash auslösen könnte - und dann gute Nacht. Putin führt Amerika vor. Obama hat fertig.

So in etwa gehen die häufigsten Versatzstücke in der Debatte über Amerikas außenpolitischen Aggregatzustand. Sie ergeben ein schiefes Bild.

Wer in Obama einen impotenten Polizisten erkennt, der Amerikas Fußabdruck in der Welt fahrlässig verkleinert, während selbige aus den Fugen gerät, verdrängt, dass er genau dafür gewählt worden ist. Nach den Verheerungen, die sein Vorgänger in Afghanistan und im Irak angerichtet hat, ist Amerikas immer noch kriegsmüde. Und Obamas außenpolitischer Leitsatz - "Don't do stupid stuff" (Bloß nichts Dummes anstellen) -, ist zwar passiv aber unverändert richtig.

Davon leitet sich ab, was in der Weltgemeinschaft viele nicht akzeptieren wollen. Zur Waffe (inklusive Drohne) greift Amerika im Alleingang nur dann, wenn es angegriffen wird oder prinzipielle Sicherheitsinteressen akut bedroht sieht. Brennt anderswo der Baum, muss eine legitime, von den Vereinten Nationen abgesegnete Allianz her, bevor US-Militär auf den Plan tritt. Im Dauer-Brandherd Nahost besteht Obama zudem auf Beteiligung der Mittelmächte vor Ort. Dass als zeitschindende Taktiererei zu bezeichnen und auf die scheinbare Entschlossenheit Putins zu verweisen, ist anrüchig. Die Unterschiede sind zu gewaltig.

Russlands Herrscher geht in Syrien auch deshalb an die Front, weil ihn die von Europa und Amerika verhängten Ukraine-Sanktionen ökonomisch dazu zwingen. Obama will Syrien von dem Massenmörder Assad befreit sehen. Putin will Assad retten und die mit Blut getränkten Jetons, die er gerade im syrischen Kasino zynisch einspielt, demnächst in Brüssel, Berlin und Washington gegen Lockerungen und Wohlwollen eintauschen.

Was als Konzeptionslosigkeit und strategisches Unvermögen zwischen Pentagon und Weißem Haus erscheint, ist das überfällige Eingeständnis, dass es für die entlang religiöser Andreas-Spalten verlaufenden Konflikte im Mittleren Osten keine von außen diktierte oder herbeigebombte Lösung geben kann. Erst recht nicht, wenn die wahren Regisseure des Stellvertreter-Kriegs, der in Syrien bereits über 250 000 Tote gefordert hat, in Teheran und Riad weiter Öl ins Feuer gießen.

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