Kommentar Edathy, die Koalition und das Recht - Varianten eines Falles

Der Fall Edathy hat mindestens drei Dimensionen: die persönliche, die rechtliche, die politische. Die persönliche ist für den vormaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy die einfachste und zugleich gravierendste: Seine Karriere ist beendet, sein Ansehen dahin - ganz gleich, wie der Vorgang strafrechtlich zu bewerten ist.

Wer sich Bildmaterial von nackten Kindern serienweise ins Haus bestellt, hat als Vorbild versagt und taugt nicht für ein öffentliches Amt. Edathys Verhalten in den vergangenen Wochen belegt, dass er das genauso sieht, auch wenn er versucht hat zu retten, was nicht mehr zu retten war, indem er immer nur das tat, was in dem Moment unausweichlich war. Sein Mandatsverzicht einen Tag nach dem er glaubte, beim Bundestagspräsidenten angezeigt worden zu sein, belegt dies.

Die rechtliche Dimension ist die tragische des Falles. Denn nach allem, was man weiß, gibt es bisher keinen strafrechtlichen Aspekt. Das Bundeskriminalamt hat die Bestellungen des Niedersachsen als "strafrechtlich irrelevant" eingestuft. Die Staatsanwaltschaft Hannover fühlte sich nach dem Motto "Aber da könnte noch mehr sein" dennoch zu Ermittlungen berechtigt. Das ist durchaus umstritten. Tatsächliche Anhaltspunkte für ihren Verdacht hatte sie offenbar nicht, was auch das lange Zögern erklären könnte, bis die Ermittlungen anliefen.

[kein Linktext vorhanden]Genau derartige Ermittlungen aber hat das Bundesverfassungsgericht als verbotene Ermittlungen bezeichnet. Gut möglich also, dass man es hier mit einem Fall zu tun hat, der strafrechtlich gar keiner ist und auch kein Fall geworden wäre, hätte es nicht den Prominenz-Faktor gegeben. Über ihn wurde bisher nur in der Weise geurteilt, dass Edathy einen Promi-Bonus genossen habe, etwa durch Tipps aus der Politik. Eher sieht es jedoch nach einem Promi-Malus aus.

Das alles ändert aber nichts an der politischen Dimension des Falles: an dem rasanten Klimasturz in der Koalition. Das Vertrauen zwischen den Partnern, in Sonderheit zwischen CSU und SPD, ist dahin. Denn das ist ja - auch wieder jenseits aller rechtlichen Argumente wie Bruch des Dienstgeheimnisses oder Strafvereitelung im Amt - das Paradoxe: Ein CSU-Mann will SPD-Kollegen helfen und muss dafür seinen Hut nehmen. Dass das die Partei des politischen Opfers noch mehr in Aufruhr versetzt als der eigentliche Fall, versteht sich von selbst.

[kein Linktext vorhanden]An die Stelle des vertrauensvollen und des vertraulichen Umganges miteinander ist, von eben auf gleich, das Misstrauen getreten. Erst recht, da niemand weiß, was denn die Kanzlerin wusste. Dass sie ihren ohnehin ungeliebten Minister per Handy zur Aufgabe zwang, zeigt, wie hoch sie die Gefahr bewertet, die der Koalition und ihr aus der ganzen Affäre erwachsen kann. Die Privatsache eines Abgeordneten ist zur Koalitions- , wenn nicht zur Staatsaffäre geworden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Die Lage ist ernst
Kommentar zur islamistischen Bedrohung Die Lage ist ernst
Euphorie im Anflug
DFB-Team überzeugt gegen Frankreich Euphorie im Anflug
Zum Thema
Kosten über Sicherheit
Kommentar zum Einsturz der Brücke in Baltimore Kosten über Sicherheit
DFB-Team mit neuem Spirit
Kommentar zur Fußball-Nationalmannschaft DFB-Team mit neuem Spirit
Assange und das Recht
Kommentar zur aufgeschobenen Auslieferung Assange und das Recht
Aus dem Ressort