Kommentar Die öffentliche Hand als Bauherr - Mit System verplant

Flughafen Berlin-Brandenburg, Elbphilharmonie, Nürburgring, WCCB Bonn - die Liste großer öffentlicher Bauprojekte in Deutschland, die ebenso grandios gescheitert sind, ließe sich fortsetzen.

Doch die vier Beispiele genügen längst, um die entscheidende Frage zu stellen: Hat das Scheitern System? Ist es zwangsläufig so, dass vor allem bei Prestigeprojekten, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist, die Kosten regelmäßig ins Uferlose steigen und Termine nicht gehalten werden? Und wenn ja, was sind die Ursachen und warum stellt man sie nicht ab?

Ja, lautet die traurige statistische Wahrheit, das Scheitern hat System. Die Universität Oxford untersuchte vor einigen Jahren 260 Großbauten in Nordamerika und Europa. Ergebnis der Studie: Bei neun von zehn Projekten wurde der ursprüngliche Kostenrahmen gesprengt. Gründe gab es viele, die Politik spielte aber fast immer eine Rolle.

"Wer mit wahren Zahlen operiert, verliert", nennt der Karlsruher Wirtschaftsprofessor Werner Rothengatter, der unter anderem Stuttgart 21 unter die Lupe nahm, das Grunddilemma der meisten Prestigevorhaben. Lägen die realistischen Kosten von Anfang an auf dem Tisch, hätten es die meisten Projekte erst gar nicht zum ersten Spatenstich geschafft.

Nächster, genauso wichtiger Punkt: Für die Mehrkosten haften die Politiker nicht; die Verluste werden meist sozialisiert. Weil die Haftung nicht greift, aber auch eigene Experten in den Verwaltungen fehlen, werden die hochkomplexen Bauvorhaben regelmäßig laienhaft-locker geplant. Beim Großflughafen Berlin ging schon die Ausschreibung schief, auch das Land Rheinland-Pfalz und die Stadt Bonn verstolperten sich bei ihren Auftragsvergaben.

Während des Baus setzen dann ständige Änderungen einen gigantischen Kostenapparat in Gang. Wäre nicht dieser Steinboden im Flughafen noch schicker? Sollte die Fluggastbrücke für den A 380 nicht lieber woanders hin? In Berlin kam verschärfend hinzu, dass die öffentliche Hand meinte, alles billiger und besser zu können als die Privaten.

So wurde der Bau des Terminals neu ausgeschrieben, weil die Angebote über den veranschlagten 620 Millionen lagen. Schließlich managten Berlin, Brandenburg und der Bund den Bau selbst - der jetzt wohl satte 1,2 Milliarden kosten wird.

Politiker sind schlechte Baumanager und Kontrolleure - vielleicht ist das aber auch nicht ihre Aufgabe. Sondern Projekte nach vorn zu bringen, die bei rein kaufmännischer Betrachtung keine Chance hätten.

Der Eurotunnel wäre wohl nie realisiert worden. Die Oper in Sydney kostete am Ende 15 Mal so viel wie geplant, das Münchner Olympia-Dach das 17-Fache. Schon Ludwig II. ruinierte mit Neuschwanstein die bayerischen Staatsfinanzen. Ein vielleicht schwacher Trost, aber immerhin: Wer wollte diese Bauten heute missen?

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