Kommentar Antisemitismus - Die alten Feindbilder

In Israel reibt man sich angesichts der Demonstrationen in Europa gegen den Krieg in Gaza die Augen. Auf die Mehrheit der Israelis wirken die Protestkundgebungen scheinheilig.

Wo sind die Massenproteste gegen das Bomben und Sterben unschuldiger Zivilisten in Syrien, die Selbstmordattentate in Irak? Die Antwort: Es gibt sie nicht, weil die Bürgerkriege dort nicht in das Freund-Feind-Schema passen. Setzt sich Israel militärisch gegen einen Aggressor zur Wehr, steht der Schuldige fest: Es ist der jüdische Staat.

Gewiss, es gibt Pazifisten unter den Demonstranten, die seit Beginn der israelischen Militäroperation gegen die radikalislamische Hamas auf die Straße gehen. Wirkliche Pazifisten erkennt man daran, dass sie Gewalt in jeder Form verurteilen und nicht auf einem Auge blind sind - in diesem Fall für den Terror der Islamisten und selbst erklärten Gotteskrieger, die in den vergangenen Jahren 15.000 Raketen und Mörsergranaten auf Israels Bevölkerung abgeschossen haben. Pazifisten sehen in solchem Terror auch kein legitimes Mittel im Ringen um palästinensische Selbstbestimmung und staatliche Unabhängigkeit.

Leider sind es nicht nur Trittbrettfahrer, die bei pro-palästinensischen Demonstrationen durch antisemitische Hetze aufgefallen sind. Auf die Ausschreitungen, die die Kundgebungen begleiteten und die Juden mit Kippa ebenso wie Gegendemonstranten tätlich bedrohten, war die Polizei oftmals nicht genügend vorbereitet.

Politiker der Mitte in Europa tun überrascht, dabei wissen sie spätestens seit den letzten Europawahlen, dass die Kräfte am rechten Rand stärker geworden sind. Antisemitismus ist dort Ausdruck allgemeiner Fremdenfeindlichkeit. Die gedeiht in Ländern besonders gut, in denen es eine wachsende muslimische Bevölkerung gibt, die Radikalisierungstendenzen zeigt. Stammen diese Zuwanderer aus arabischen Staaten, haben viele den Hass auf Juden von klein auf gelernt.

Berechtigte Kritik an Israel ist kein Antisemitismus, auch wenn viele israelische Politiker das behaupten. So ist es berechtigt und sogar zwingend, Israel wegen der Besatzungspolitik im Westjordanland anzuklagen. Fast 50 Jahre lang haben israelische Regierungen die internationale Staatengemeinschaft mit dem Siedlungsbau an der Nase herumgeführt.

Ein Versäumnis der Oslo-Friedensverträge vor 20 Jahren war, dass sie keinen Baustopp für jüdische Wohnungen auf dem Land erzwungen haben, das Teil eines palästinensischen Staates werden soll. Solange es diesen Baustopp nicht gibt, sind Bekundungen des Friedenswillens auf israelischer Seite reine Lippenbekenntnisse.

Antisemitismus beginnt da, wo alle Juden für die Fehler der israelischen Politik haftbar gemacht werden. Und wo Fehler und Versäumnisse der palästinensischen Seite aus Prinzip nicht benannt werden.

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