Kommentar zu Gesetzesverschärfungen gegen ausländische Täter Die Zeit läuft

Nun also die Keule eines schärferen Strafrechts und der früheren Abschiebung gegen ausländische (Sexual-) Straftäter. Der Druck auf Angela Merkel wächst.

Auch wenn die CDU-Vorsitzende bislang noch immer keinen Zeitpunkt nennen will (und vor allem nicht kann), bis wann der Zuzug von Flüchtlingen nach Deutschland spürbar reduziert sein soll, weiß die Bundeskanzlerin doch: Sie kann ihren Kurs der offenen Flüchtlingspolitik, der keine offizielle Obergrenze festschreibt, nicht noch ein ganzes Jahr durchhalten. In zwei Monaten stehen für die CDU wichtige Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt an. Schafft die CDU in ihrem einstigen Stammland Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz, wo CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner aktuell aussichtsreich vorne liegt, nicht den Sprung aus der Opposition zurück an die Regierung, bleibt Merkel nicht mehr viel Spielraum. Die Zeit arbeitet ohnehin gegen die Kanzlerin, was auch die Frontmänner der nörgelnden "Schwester" CSU gerne betonen.

Vor diesem Hintergrund hat die CDU nun bei ihrer Vorstandsklausur in Mainz schärfere Gesetze gegen Sexualstraftäter ins Auge gefasst. Merkel, Klöckner oder auch der CDU-Spitzenkandidat im Südwesten, Guido Wolf, wissen: Ein großer Teil der eigenen Parteibasis, aber auch der Bevölkerung wartet auf Antworten der Politik und der Sicherheitskräfte, wie Exzesse wie in der Silvesternacht auf dem Kölner Bahnhofsvorplatz verhindert werden können. Und die Menschen wollen die Täter bestraft sehen - auch jene, die sich in dem Land, das ihnen Schutz vor Krieg und Verfolgung bietet, Delikte wie schweren Raub, Diebstahl, sexuelle Nötigung und Landfriedensbruch geleistet haben. Merkel reagiert. Künftig sollen bereits Bewährungsstrafen für Abschiebungen genügen. Das ist konsequent. Ebenso will die große Koalition mit einer Neufassung des Vergewaltigungsparagrafen potenzielle Täter abschrecken. Dann könnten Männer womöglich bereits angeklagt werden, wenn sich Frauen subjektiv schutzlos gegen sexuelle An- und Übergriffe fühlen.

Scheinheilig haben an diesem Wochenende in Köln nun wieder die Abendland-Retter der Pegida-Bewegung den Schutz von Frauen in Deutschland gegen muslimische Männer verteidigt. Doch pauschale Hetze gegen Migranten wird den Konflikt, den die Politik in Bund und Ländern schnellstens lösen muss, nur weiter anfachen. Ein Generalverdacht gegen Ausländer ist genau das, was islamfeindliche Pegida-Anhänger und rechtsextreme Gruppen provozieren wollen. Die gesellschaftliche Lage ist durch den Zuzug von mehr als einer Million Flüchtlingen in 2015 und die unentschuldbaren Exzesse weniger Migranten ebenso kompliziert wie explosiv. Eine solche Mischung hat das Zeug, die politischen Ränder zu stärken. Schnelle Lösungen gibt es nicht. Die Schließung von Grenzen ist nur eine Scheinlösung, sonst ist das Europa des freien Grenzverkehrs am Ende.

Doch Merkel bleibt nicht mehr viel Zeit. Handelt sie zu spät, weil sie auf Solidarität unter den EU-Partnern hofft, rennen der CDU bis dahin womöglich die Wähl davon. Aber sie kann ohne Gesichtsverlust von ihrem Kurs erst abrücken, wenn Europa sie endgültig im Stich lässt.

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