Kommentar Vereinte Nationen - An der Kette

So viel Krieg wie in diesem Jahr gab es selten: In der Ukraine, zwischen Israel und den Palästinensern, in Syrien, im Irak, in Afghanistan und in vielen Ländern Afrikas sprechen die Waffen. Die Vereinten Nationen, so scheint es, schauen dem Blutvergießen nur zu.

Die Hilflosigkeit der Organisation, die nach dem Zweiten Weltkrieg angetreten war, Frieden zu bringen, offenbart sich dramatisch in zwei Konflikten, die immer neues Entsetzen auslösen: In der Ukraine und im Nahen Osten.

Die Konflikte in der Ukraine und in Israel haben eine entscheidende Gemeinsamkeit. Die Vetomächte USA und Russland unterstützen im UN-Sicherheitsrat jeweils eine der Konfliktparteien. Washington legt seit Jahrzehnten seine Hand auf Israel, Moskau stellt sich vor die prorussischen Separatisten. Damit verhindern Amerikaner und Russen aber auch, dass der Sicherheitsrat in beiden Konflikten wirksam eingreifen kann.

Washington und Moskau legen dasjenige Gremium der Vereinten Nationen an die Kette, das laut Charta "die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit" trägt. Natürlich: Das legitime Sicherheitsinteresse des jüdischen Staates darf nicht mit den Zielen von hemmungslosen prorussischen Freischärlern in der Ostukraine gleichgestellt werden. Während die Regierungen in Jerusalem ihre Bürger vor Angriffen von Terroristen und feindlichen Staaten schützen müssen, wollen die Separatisten den Staat Ukraine zerstören. In der Konsequenz führt aber beides zu vielen Opfern.

Für beide Konflikte gibt es langfristige stabile Lösungen nur dann, wenn alle Seiten der Gewalt abschwören. Mit anderen Worten: Es geht nur am Verhandlungstisch. Die Vereinten Nationen könnten dabei helfen, den Rahmen für Gespräche abzustecken. Die Organisation verfügt über genügend Expertise, um verwinkelte Konfrontationen beizulegen. Parallel könnte der Sicherheitsrat den nötigen Druck aufbauen.

Nur: Die UN dürfen sich auf Geheiß der Amerikaner und der Russen in beiden Fällen nicht so einbringen, wie sie es könnten. Das ist tragisch - besonders für die vielen zivilen Opfer in der Ukraine und im Nahen Osten.

Doch auch für zukünftige Konflikte ist nicht auf einen Kurswechsel bei Russen oder Amerikanern zu hoffen. Beide beharren auf ihrer herausgehobenen Machtposition in den Vereinten Nationen, beide werden ihr Vetorecht nicht freiwillig aufgeben. In diesem Punkt verfolgen die Großmächte exakt dieselbe Politik. Selbstredend steht auch für die drei anderen Vetomächte, China, Frankreich und Großbritannien, ein Verzicht auf die Privilegien nicht zur Debatte. Russen und Amerikaner machten schon bei den Verhandlungen zur UN-Gründung das Vetorecht zur Voraussetzung für ihren Beitritt. Das ist der Preis, den die Welt bis heute zu zahlen hat.

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