Kommentar Die Querelen in der AfD - Protest reicht nicht

Das AfD-Schiff sollte eigentlich mit geblähten Segeln bei ruhiger Fahrt unterwegs sein. Dafür müssten die jüngsten Landtagswahlergebnisse gesorgt haben. Aber davon ist nichts zu merken.

Auf der Kommandobrücke gibt es heftigen Streit darüber, wer denn eigentlich der Kapitän ist und den Kurs bestimmen darf.

Sind das erste Zeichen der Auflösung? Tatsächlich ähneln die Prozesse von Ferne den Ereignissen bei den längst wieder in der Bedeutungslosigkeit verschwundenen Piraten. Der Grund ist klar: Protestparteien sind so lange gut, wie sie mit schicken Parolen und findigen Aktionen Aufmerksamkeit erregen können. Dabei spielen Personen gar keine Rolle.

Im Gegenteil. Die haben Ecken und Kanten und könnten abschreckend wirken. Die Piraten hatten einen tendenziell anarchistischen Anspruch, bezweifelten generell den Sinn politischer Führung. Die AfD tickt da ganz anders. Sie ist getragen von der Sehnsucht, eine ganz normale Partei zu sein.

Der Vorwurf des einflussreichen brandenburgischen AfD-Chefs Alexander Gauland, Bundessprecher Bernd Lucke sei ein "Kontrollfreak", ist wohl nicht aus der Luft gegriffen. Es geht auch darum, dass die in Landtagswahlen erfolgreichen Landesverbände stärker mitreden wollen.

Wenn die AfD nicht im nörgelnden Protest-Gestus verharren will, muss sie eine Grundsatz-Frage klären: Liberal oder national-konservativ - wie soll die künftige Ausrichtung der Partei sein? Erstaunlicherweise ist die Russland-Politik zu dem Thema geworden, an dem sich der Konflikt stellvertretend entscheiden könnte.

Gauland hatte sich im Landtagswahlkampf als Putin-Versteher geriert und missbilligt scharf die EU-Sanktionspolitik. Lucke hat dagegen im Europa-Parlament für Sanktionen gestimmt. Was hat das mit dem Richtungsstreit zu tun? Sehr viel. Gaulands Pro-Russland-Kurs ist nur die besser vermarktbare Seite einer Medaille, deren dunkle Rückseite eine re-nationalisierte deutsche Politik ist.

Wer so denkt, der sieht in der Kritik am Russland-Kurs des Westens die Chance auf eine schrittweise Herauslösung Deutschlands aus der Verflechtung mit Europa und den Institutionen der EU. Verständnis für Putin als Misstrauenserklärung an die EU. Das ist der Konflikt, den die AfD auszufechten hat. Ein neuer deutscher Sonderweg - eine abenteuerliche Vorstellung - oder eine feste Einbindung in den Geleitzug des Westens. Gaulands Weg stellte die Partei außerhalb des Parteienkonsenses in Deutschland.

Dass die AfD-Abgeordneten gestern mit den europäischen Rechtspopulisten den Misstrauensantrag gegen Jean-Claude Juncker unterstützten muss noch kein Fingerzeig sein, in welchem Sinne der Streit um den künftigen Kurs entschieden wird. Juncker hat immerhin die laxe luxemburgische Steuerpolitik zu verantworten. Aber er passt gut ins Bild

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