Kommentar zum MH 17-Abschlussbericht Die Lehren

Nur wenige Stunden nach dem Abschuss des Fluges MH 17 von Amsterdam nach Kuala Lumpur lief der Flugverkehr zwischen Europa und Asien wieder wie geschmiert. Die Airlines machten nun - wie sie selbst betonten - einen Umweg über "eine sichere Route".

Die führte die Jets über Syrien, den Irak, Afghanistan und Indien nach Malaysia. Am gestrigen Tag, an dem die Luftfahrt-Experten Konsequenzen aus dem Raketenabschuss eines zivilen Flugzeugs mit 298 Menschen an Bord zogen, aber nicht spekulieren durften, wer für diese Untat verantwortlich ist, fällt es schwer, an mehr Sicherheit am Himmel zu glauben.

Airlines und Kunden wollen möglichst kurze Flugzeiten und attraktive Preise. Hier geht es nicht um Schuld, wohl aber um Mitverantwortung. Wer geglaubt hatte, dass die vermeintlich sichere Zone dort anfängt, wo sich die Linienflieger bewegen, täuscht sich.

MH 17 ist ein furchtbares Beispiel dafür, dass Unschuldige zwischen die Fronten gerieten, weil Militärs glaubten, alles im Griff zu haben. Ob die Ukraine, die viel zu spät den Luftraum über dem umkämpften Ostteil des Landes sperrte, eine Mitverantwortung trägt, wird zu untersuchen sein. Es darf aber nicht zum Verschieben der Schuld führen. Dabei endete die Unmenschlichkeit nicht mit dem Abschuss des Jets und dem Tod der 298 Passagiere und Besatzungsmitglieder.

Der anschließende Bruch aller internationalen Vereinbarungen war zumindest im gleichen Maße schockierend. Paramilitärische Einheiten, die Spuren beseitigten, Flugdaten-Rekorder verschleppten und den Bergungsmannschaften wochenlang jeden Zutritt zur Absturzstelle verwehrten, obwohl diese nur die Verstorbenen und deren Überreste bergen wollten - das wiegt nicht weniger schwer als die Tat selbst.

Dass Staaten wie Russland und die Ukraine, die beide Einfluss auf die ihnen nahestehenden Kämpfer hatten, ein solches Verhalten durchgehen ließen, ist unbegreiflich. Ein internationales Tribunal wird sich auch mit solchen Unmenschlichkeiten vermeintlich verantwortungsvoller Politik befassen müssen.

MH 17 war kein Einzelfall. Das kann kein Trost sein. Aber er macht deutlich, dass die internationale Gemeinschaft über ihre Spielregeln zum Schutz des Luftverkehrs neu nachdenken muss. Es reicht nicht, den Airlines zu überlassen, welche Bedrohungsanalysen sie entwickeln und welche Konsequenzen sie daraus ziehen.

Der Chef der niederländischen Untersuchungsbehörde hat gestern fast schon fassungslos festgestellt, wie viele Flüge in den Tagen rund um das Unglücksdatum über ein Gebiet führten, in dem heftig gekämpft wurde. Ohne Rücksicht darauf schickten 61 Fluggesellschaften über 160 Maschinen voller Zivilisten los - in der Hoffnung, dass nichts passiert. Mit diesem Prinzip Hoffnung darf sich die zivile Luftfahrt nicht länger zufriedengeben.

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