Kommentar Die CSU nach der Haderthauer-Affäre - Der nächste Fall

Eine Kronprinzessin geht, wohlgemerkt: eine selbst ernannte. An Selbstbewusstsein hat es Christine Haderthauer nie gefehlt. Mindestens in dieser Disziplin hätte es die CSU-Politikerin zur bayerischen Ministerpräsidentin gebracht. Doch auch im Moment ihres Rücktritts zeigte die Chefin der Staatskanzlei wenig Einsicht in eigenes Fehlverhalten.

Sie machte statt dessen die "öffentliche Berichterstattung", sprich die Medien, für den Aufruhr im Freistaat (und darüber hinaus) als Reaktion auf die "Modellbau-Affäre" verantwortlich. Beharrungsvermögen im Amt ist eine Fähigkeit, Anstand eine Tugend. Haderthauer verfügte über Ausdauer.

CSU-Chef und Ministerpräsident Horst Seehofer hat mit dem erst unter massivem öffentlichem Druck erzwungenen Rückzug der Chefin seiner Staatskanzlei ein Problem weniger und zugleich eines mehr. Eine drohende juristische Auseinandersetzung Haderthauers kann Seehofers Regierungshandeln nun nicht mehr belasten. Dafür hat er bei der Suche für seine Nachfolge nun eine Option weniger, und sei es nur, wenn er mit Haderthauer andere Kandidaten in Schach gehalten hätte.

Lange stand der Regierungschef hinter Haderthauer, weil Seehofer politische Talente mag. Haderthauer selbst fühlte sich berufen genug, eines Tages die Regierungsgeschäfte von der Spitze aus zu führen. Doch sie musste mit ansehen, wie die Wirtschaftsministerin und Chefin des einflussreichen CSU-Bezirks Oberbayern, Ilse Aigner, an ihr vorbeizog.

Und natürlich wird die Seehofer-Nachfolge nicht ohne Finanzminister Markus Söder entschieden, dessen Nachteil ist, in der eigenen Partei nicht allzu beliebt zu sein. Auch Innenminister Joachim Herrmann ist ein möglicher Kandidat.

Alexander Dobrindt? Der Bundesverkehrsminister wird zwar von Seehofer über den grünen Klee gelobt ("Ein Dobrindt kann nicht scheitern"). Doch scheitert der einstige Generalsekretär tatsächlich am CSU-Prestigeprojekt "Pkw-Maut für Ausländer", wird Seehofer wissen, wie man Abstand zum Problem schafft.

Die CSU kommt nicht zur Ruhe. Noch im Wahljahr 2013 hatte die Affäre um jahrelang auf Kosten der Steuerzahler beschäftigte Ehepartner oder Verwandte in Büros von CSU-Landtagsabgeordneten für Schlagzeilen gesorgt. Ein klassischer Fall von Vetternwirtschaft - Made in Bavaria.

Zusätzlich beeinträchtigte die Affäre um den durch Zwangseinweisung in der Psychiatrie eingesperrten Gustl Mollath das Gerechtigkeitsgefühl vieler Bürger. Der noch vor der Landtagswahl folgende Rücktritt der damaligen Justizministerin Beate Merk war die Folge. Und jetzt der Fall Haderthauer.

Seehofer hatte vor einigen Monaten nach Kritik an seinem royalen Führungsstil wieder mehr Geschlossenheit und eine Rückkehr zum Mannschaftsspiel versprochen. Dazu ist ein Kapitän gefragt, kein König.

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