Kommentar Die Beschlüsse der Koalition - Ohne Schäuble

War es das? Die Koalitionsbeschlüsse, die die Bundesregierung im Hauruck-Verfahren präsentierte, erinnern an einen politischen Basar. Nach drei Jahren der schrillsten schwarz-gelben Disharmonie ist nun scheinbar der vorweihnachtliche Friede eingekehrt.

Auf der Strecke blieb der rote Faden, den es in der Regierungspolitik Angela Merkels auch bei intensivster Betrachtung nicht gibt. Die Politik verkommt zu einem - sicher auch durch die Medien verstärkten- Koalitionskrimi, dessen letzte Folgen auf Happy End getrimmt werden müssen.

Beim genaueren Hinsehen fällt auf, wie labil diese Koalition und ihre Beschlusslage sind. Unbestreitbar überfällig war die Rücknahme der Praxisgebühr - vor allem mit Blick auf die zweistelligen Milliarden-Überschüsse der Krankenkassen.

Die Gebühr hat zu keiner Zeit dazu geführt, dass die Zahl der unbegründeten oder überflüssigen Arztbesuche auch nur teilweise zurückgingen. Insoweit beugten sich die Koalitionspolitiker den gesundheitspolitischen Realitäten.

Das Problem liegt auf anderen Politikfeldern. Es spricht einiges dafür, dass der mitternächtliche Einigungszwang dafür gesorgt hat, Vorweihnachtsgeschenke zu verteilen, auch wenn man genau weiß, dass solche Vorschläge kaum nachhaltige Wirkungen entfalten.

Immerhin ist mit der Neuregelung des Betreuungsgeldes ein Ende des innenpolitischen und innerparteilichen Streits in einer zentralen familienpolitischen Frage markiert. Hätte es die Wahlfreiheit zwischen Kindertagesstätten oder häuslichem Erziehen nicht gegeben, wäre die Koalition an der CSU auseinandergebrochen. Horst Seehofer zählt somit zu den klaren Siegern der langen Koalitionsnacht.

Zwei Aspekte kommen hinzu: Wo war Finanzminister Schäuble? Auf einer gewiss wichtigen Reise nach Mexiko zu einer Währungskonferenz. Der Mann, der beinahe wöchentlich öffentlich politische Prügel für zu wenig ausgeprägten Sparwillen kassieren muss, hätte in der Geschenk-Runde wahrlich deplatziert gewirkt.

Wer einmal im Ausgabenrausch ist, dem erscheint der Gedanke an Haushaltsdisziplin nur störend. Jedermann weiß aber auch, dass Schäuble sich revanchieren kann. Genügend Macht hat der Minister mit umfassendem Veto-Recht.

Schließlich: Man wolle sich jetzt häufiger zu solchen Koalitionsrunden treffen, so deren Spitzenvertreter. Diese Ankündigung hat einen drohenden Unterton. Darf man daran erinnern, dass der Koalitionsausschuss kein Verfassungsorgan darstellt?

Die ambitionierten Zeitpläne für die Umsetzung drängen das Parlament in die Rolle des Abnickvereins, der keine Kontrollfunktion mehr hat. Eine kleine Besetzung von Kanzlerin bis zu den parlamentarischen Geschäftsführern bestimmt die politischen Linien der Politik. Das ist kein Ausweis demokratischer Kultur.

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