Kommentar Die Abhöraffäre: In Aussicht gestellte Reformen sind halbherzig
Washington · Als mächtigster Politiker der Welt (angeblich) nicht zu wissen, dass der eigene Sicherheitsapparat fast die gesamte Welt da draußen als potenziellen Feind betracht und selbst befreundete Regierungsspitzen entsprechend behandelt - das ist armselig genug.
Perfide wird es, wenn die Obama-Regierung jetzt, um die öffentliche Empörung auf der anderen Seite des Atlantiks zu dämpfen, halbherzig Reformen in Aussicht stellt, die am Grundübel nichts ändern. Mit kosmetischen Selbstbeschränkungen - bitte, liebe NSA, nicht mehr Angela Merkel belauschen - ist es nicht getan. Was sich durch die täglich wertvoller werdenden Enthüllungen Edward Snowdens offenbart, ist ein sicherheitspolitischer Komplex, der sich den Kontrollinstanzen der größten Demokratie dieser Erde und dem Vorstellungsvermögen normaler Menschen weitgehend entzogen hat.
Nicht Parlament und Regierung in den USA regulieren die Durchdringungstiefe von Schnüffel-Technologie und Gefahrenabwehr. Ein undurchschaubares Netzwerk von Eingeweihten-Zirkeln erteilt sich selbst die Befugnisse. Wer nachfragt, muss sich selbst als gewählter Senator in Washington mit Vertröstungen abspeisen lassen.
Lügen, wie sie sich Obamas Geheimdienstkoordinator James Clapper erlaubt hat, bleiben ungesühnt. Die Wucherungen um die "National Security Agency" sind die Spätfolgen der von Präsident Bush und seinem unheilvollen Vize Dick Cheney gelegten Saat des Misstrauens. Der "tiefe Staat", wie Watergate-Aufdecker Bob Woodward schreibt, treibt in Amerika sein Unwesen. Und Obama? Mittendrin.