Kommentar Deutsch-israelische Beziehungen - Belastungstest

Es gibt diese kleinen Schattierungen, die belegen, dass die deutsch-israelischen Beziehungen auch aus Berliner Sicht wesentlich schwieriger geworden sind. Bundeskanzlerin Merkel hatte beispielsweise im Vorfeld der deutsch-israelischen Regierungskonsultationen mehrfach die Sicherheit Israels als "Teil der deutschen Staatsräson" charakterisiert.

Neuerdings muss man sich für die bislang als selbstverständlich angesehene Formel auf der nationalen politischen Bühne rechtfertigen. Denn es mehren sich kritische Stimmen nicht nur bei den Oppositionsparteien.

Sie werfen die Frage auf, ob in letzter Konsequenz diese wiederholte Feststellung nicht mit einem Risiko verbunden ist: nämlich dass die Regierung im Krisenfall nicht auch zur konkreten militärischen Solidarität mit Israel verpflichtet ist. Verkürzt heißt das: Bundeswehrsoldaten auf die Golan-Höhen? Dies kann nur die letzte denkbare Option sein.

Die deutsche Kanzlerin mühte sich gestern keine Sekunde, die Gegensätze in der Frage israelischer Siedlungen zu verkleistern. Zu offensichtlich sind die unüberwindbaren Hindernisse, die die starre israelische Haltung für den Nahost-Friedensprozess mit sich bringt.

Netanjahu tat unbeeindruckt und provozierte den Gastgeber mit der Ankündigung weiterer Siedlungen. Neu an der Situation ist, dass die Bundesregierung Stück für Stück von der ganz engen emotionalen Bindung abrückt. Die Art und Weise des offenen und ehrlichen Umgangs unter befreundeten Staaten gab Merkel mit ihrem auf den Siedlungsstreit gemünzten Satz vor: "Wir sind uns einig, dass wir an diesem Punkt nicht einig sind."

Also ein neues deutsches Selbstbewusstsein? Nicht nur Israel schaut auf den Umgang der deutschen Sicherheitsbehörden mit den Rechtsextremisten. Auch innerhalb der israelischen Öffentlichkeit werden sehr deutlich die Ergebnisse von Umfragen registriert, die im Kern bestätigen: In der Bundesrepublik steigt der Anteil derer rasant, die rechtsradikales und antisemitisches Gedankengut übernehmen.

In weiten Teilen der ostdeutschen Bundesländer sind die Rechtsradikalen in der gesellschaftlichen Mitte angekommen. Die NSU-Ermittlungen werden im Ausland als schleppend angesehen. Israel wertet dies als Wiederauferstehung der braunen Gefahr. Deutsche Politiker sehen die unübersehbaren Mängel eher als Teil des Behördenalltags an; im Ausland wird dagegen eine "klammheimliche" Solidarität unterstellt. Das ist zwar Unfug, stillt aber das Bedürfnis nach Pflege von Feindbildern.

Es wird deutsch-israelische weitere Regierungskonsultationen geben. Und das ist gut so. Denn an der grundsätzlichen Einigkeit und Freundschaft zwischen den beiden Ländern ändern die aktuellen Verstimmungen nichts.

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