Kommentar Der Protest in der Ukraine- Am Scheideweg

Wohin steuert die Ukraine? Richtung Europa oder Russland? Die Stimmung in dem Land zwischen einem Teil der russischen Westgrenze und der polnischen Ostgrenze ist hochgradig aufgeladen. Gerade ist die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton auf Vermittlermission in Kiew. Es muss vor allem darum gehen, die Krise zu entschärfen, denn es steht Spitz auf Knopf.

In der vergangenen Woche demonstrierten der deutsche Außenminister Guido Westerwelle und einige andere Außenminister aus dem Westen ihre Solidarität mit den Zehntausenden auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew. Was tat Staatspräsident Viktor Janukowitsch? Er demonstrierte sein Machtbewusstsein und seine Ignoranz.

Zeitgleich zum Treffen der OSZE-Außenminister in der ukrainischen Hauptstadt weilte er auf Werbetour für Investitionen in die marode ukrainische Wirtschaft in China und stoppte auf dem Rückflug auch gleich noch beim großen Bruder Wladimir Putin in Sotschi. Schulterschluss zweier Präsidenten, denen die eigene Macht im Zweifel immer wichtiger sein wird, als der Freiheitswille der Bürger und die Entwicklung des Landes.

Natürlich hat Janukowitsch die Mittel eines Polizei-, Geheimdienst- und Militärapparates, um am Ende den Protest auf dem Maidan zu zerschlagen. Wahrscheinlich wird er auch dieses Mal die Oberhand behalten, auch, weil die vereinte Opposition in Wahrheit gespalten ist, jedenfalls zu unterschiedliche Interessen verfolgt.

Der populäre Boxweltmeister Vitali Klitschko mit seiner Partei "Udar". Arsenij Jazenjuk, Chef der Vaterlands-Partei der inhaftierten früheren Ministerpräsidentin Julia Timoschenko. Und der radikale Nationalist Oleg Tjanybok, Chef der "Swoboda"-Partei. Gemeinsam sind sie stark? Gemeinsam halten sie sich in Schach. Jeder beäugt den anderen. Und Klitschko ist bei aller Beliebtheit immer noch mehr Boxer als Politiker - mit begrenzten rhetorischen Fähigkeiten.

Es wäre das zweite Mal nach der orangefarbenen Revolution 2004, dass das ukrainische Volk gegen die Herrschenden aufgestanden wäre und (zunächst) unterliegt. Der Volksprotest gegen Janukowitsch und Ministerpräsident Nikolai Asarow ist groß und zornig, weil Janukowitsch und Co. die Ukraine wie einen Familienbetrieb führen.

Wichtig sind ihnen Amt, Pfründe und Privilegien. Dafür nehmen sie in Kauf, dass sich das von ihnen kontrollierte Land nicht entwickeln kann, wie es sich entwickeln könnte. Janukowitsch wird nicht freiwillig vom Kuchen abgeben. Machtverlust in einem Land wie der Ukraine endet nicht selten mit Gefängnis, siehe Julia Timoschenko. Das muss auch Vitali Klitschko als eine Galionsfigur des Aufstandes einkalkulieren. Denn der K.o.-Schlag kommt, wenn er kommt, schnell und unvermittelt.

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