Kommentar Der Eine-Billion-Mann

BERLIN · Peter Altmaier hat einmal gesagt, er fühle sich fit wie ein Turnschuh, nur sei er eben nicht in Form. Eine kokette Anspielung des Bundesumweltministers auf sein erkennbares Übergewicht. Fit wie einen Turnschuh soll Altmaier, CDU-Mann mit Affinität für grüne Themen, auch die Energiewende machen und dabei die viertgrößte Volkswirtschaft der Erde wettbewerbsfähig für den Lauf in die Zukunft.

Womöglich hat der genussfreudige Saarländer bei seinem energetischen Fitnessprogramm ein wenig übertrainiert. So sehr, dass ihm jetzt mitunter die Zahlen zu den möglichen Kosten dieser Energiewende davonlaufen. Eine Billion Euro oder 1 000 Milliarden Euro oder als komplette Zahl: 1 000 000 000 000 Euro, so rechnet Altmaier, könnte das politische Unternehmen kosten, auf das die schwarz-gelbe Koalition im Bund unter Anleitung der Bundeskanzlerin und Physikerin Dr. Angela Merkel als Reaktion auf den Größten Anzunehmenden Unfall (GAU) im japanischen Atomkraftwerk Fukushima 2011 umgeschwenkt war.

Die Grünen, die Altmaier für einen König der Ankündigung halten, ätzten, es handele sich wohl um "Märchenpeters Rechenkünste", weil dieser die Kosten der Energiewende für 30 Jahre hochrechne. Nicht vergessen: In Deutschland ist ein wichtiges Wahljahr angelaufen, in dessen Verlauf noch Landtage in Bayern und Hessen sowie der Bundestag neu gewählt werden. Es geht um die Deutungshoheit.

Und Deutungshoheit macht sich überall dort gut, wo es um Verbraucherpreise und somit um das verfügbare (Netto-)Einkommen der Wählerinnen und Wähler geht. Das gilt auch für die Strompreise, die - keine Frage - auch wegen der einmal von Rot-Grün eingeführten Ökostromabgabe gestiegen sind. Das war politisch gewollt, um den Erneuerbaren Energien eine Starthilfe zu geben, man könnte auch sagen: um sie zu subventionieren.

Weil es bislang teurer ist, Strom aus Wind, Wasser, Sonne oder Biomasse zu gewinnen und diesen am Markt zu verkaufen als bei Strom aus Atomkraft oder Kohlekraftwerken, gleichen die Verbraucher die Differenz zwischen dem Marktpreis und den Ökostromkosten aus. Über die Umlage aus dem Gesetz zur Förderung der Erneuerbaren Energien (EEG). Altmaier will die EEG-Förderung vor allem bei Wind- und Solarparks kürzen. Würde der Staat die Förderung der "Erneuerbaren" künftig nicht zurückfahren, dann belastet die Energiewende nach Altmaiers Rechenart noch die nächste Verbrauchergeneration.

Das ist vielleicht ein bisschen viel Blaulicht, mit dem der Bundesumweltminister durch das politische Berlin fährt. Aber bitte: Der Wahlkampf hat begonnen. Selbstverständlich weiß Altmaier, dass die Energiewende ein nationales Unternehmen ist. Es geht nur im Konsens mit SPD und Grünen. Und es geht nur mit und nicht gegen die Länder.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Leerstand ist keine Option
Kommentar zu den Problemen der Vermieter Leerstand ist keine Option
Nicht alles gut
Kommentar zum Wechsel im Amt des Datenschutzbeauftragten Nicht alles gut
Zum Thema
Ende der Naivität
Kommentar zu russischer Spionage in Deutschland Ende der Naivität
Erfolg bemisst sich an Taten
Kommentar zur Bonner Klimaplan-Bilanz Erfolg bemisst sich an Taten
Lauterbachs Gesetz führt zu Chaos
Kommentar zu den Folgen der Cannabis-Legalisierung Lauterbachs Gesetz führt zu Chaos
Aus dem Ressort