Kommentar Der Anlauf für ein neues NPD-Verbot - Staatsrisiko

Sie müssen sich sicher sein. Zu 100 Prozent, besser zu 110 Prozent. Doch kann man sich vor Gericht sicher sein? Erst recht in einer Sache wie dieser?

Die Innenminister der Länder, und wenn sie noch so sehr mit 16:0-Stimmen sprechen, müssen absolut wasserdichte Beweise haben - zigfach geprüft und für belastbar befunden -, wenn sie jetzt einen neuen Anlauf für ein Verbot der rechtsextremen NPD wagen.

Das Risiko eines weiteren Fehlschlags nach 2003, als das Bundesverfassungsgericht einen NPD-Verbotsantrag der Verfassungsorgane Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag ablehnte, ist gegeben und nur bedingt kalkulierbar. Das müssen alle wissen, die jetzt den juristischen Weg für Erfolg versprechender halten als die politische Auseinandersetzung mit einer Partei im freien Fall. Denn: Die NPD ist über beide Ohren verschuldet, die Mitgliederzahlen rauschen nach unten und personell muss sie sich nach einem vor einem Jahr ausgefochtenen Machtkampf an der Spitze erst wieder sammeln.

Das Urteil des höchsten deutschen Gerichts aus dem März 2003 war jedenfalls ein Debakel für die drei Verfassungsorgane wie auch für die parlamentarische Demokratie. Und ein Lehrstück für beispiellose Fahrlässigkeit, wenn nicht sogar Stümperei, bei der Beweissammlung. V-Leute des Staates in Führungsfunktionen einer Partei, deren Verbot genau dieser Staat beantragt hatte, da mochten die Bundesverfassungsrichter nicht mitmachen.

Wer konnte schon sicher sagen, unter welchen zweifelsfreien Umständen welche über jeden Zweifel erhabenen Beweise für die Verfassungsfeindlichkeit der NPD und ihre kämpferisch-aggressive Haltung gegen die freiheitliche Grundordnung gesammelt worden sind.

Und jetzt wird alles anders, alles besser? Ein nochmaliges Scheitern käme einem politischen Offenbarungseid gleich. Die demokratischen Parteien müssten sich eingestehen, dass sie ganz offenbar nicht das Zeug und das (gelieferte) Beweismaterial haben, um einer indiskutablen Nischenpartei vom Schlage der NPD juristisch erfolgreich auch den Geldhahn der staatlichen Parteienförderung abdrehen zu lassen. Denn schon vergessen? Aktuell sitzt die rechtsextreme NPD in den Landtagen von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern.

Womöglich stellt sich am Ende heraus, dass die Innenminister besser auf ihren früheren Kollegen Günther Beckstein (CSU) hätten hören sollen, der den 2003 gescheiterten Verbotsantrag maßgeblich mitgeschrieben hatte. Beckstein warnt eindringlich vor dem neuen Versuch.

Scheitert dieser, wäre der Schaden immens. Die Energie eines erheblichen Kraftakts gegen eine Partei wäre verpufft, deren Bedeutung in der rechtsextremen Szene ab- und nicht zugenommen hat. Und die NPD? Sie ließe sich feiern. Nach langer Zeit mal wieder.

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