Kommentar Der Abschuss der MH017 - Ukrainisches Fanal

Der Abschuss der malaysischen Passagiermaschine über dem Donbass hat den freien Westen, vor allem Westeuropa böse erwischt. Und den osteuropäischen Kleinkrieg wieder in die Schlagzeilen gebracht. Kein Hinterhalt, kein Feuerüberfall dort hat so viele Todesopfer gefordert wie die Rakete, die am Donnerstag den Rumpf der Malaysia-Airlines-Maschine zerfetzte.

Noch ist nicht zweifelsfrei geklärt, wer die Boeing abgeschossen hat: die ukrainischen Regierungstruppen oder ihre Feinde, die prorussischen Donezker Rebellen mit ihren aus Russland kommenden Mitstreitern. Aber auf jeden Fall kehrt der Krieg in der Ostukraine mit diesem tödlichen Fanal zurück an die Spitze der weltweiten Krisen-Agenda.

Man mag die Regierung in Kiew schon jetzt als Unterlassungssünder verurteilen, hat sie doch versäumt, den internationalen Passagierflugverkehr über dem Donbass zu stoppen. Aber denselben Vorwurf kann man auch Eurocontrol, der europäischen Organisation für Flugsicherheit machen. Und wie Eurocontrol scheint halb Gemeinschaftseuropa beschlossen zu haben, das Töten und Sterben im ostukrainischen Kohlenpott wie ein Scharmützel verfeindeter Ameisenstämme zu behandeln: unter Rasenhöhe.

Egal ob schießwütige russische Kosaken oder ukrainische Artilleristen das Flugzeug vom Himmel holten, es besteht kein Zweifel daran, wer die Gefechte im Krisengebiet in Gang hält und zu heftigen Boden-Luftgefechten hochgeschaukelt hat. Ohne Planung, Kader und Waffen aus Russland hätte es diesen Krieg nicht gegeben.

Eine Militärintervention unter dem Teppich, verbrämt als Abwehraufstand der russischsprachigen Bevölkerung gegen angeblich drohende Völkermordattacken ukrainischer Nazis. Ein "Rebellionskrieg", wie ihn der exilrussische Kriegstheoriker Ewgeni Messner schon 1960 definierte: Das eigene Militär tarnt seinen Angriff auf gegnerisches Gebiet mit Massenprotesten aufgebrachter Zivilisten und viel Propagadandalärm. Der Kreml praktiziert diesen "Rebellionskrieg" virtuos, lässt seinen Feldkommandeuren alle Freiheiten, übertönt das Getöse ihrer Attacken aber durch lautstarke Friedensforderungen, seine Politiker sitzen an den EU-Verhandlungstischen.

Russland tut, was der Westen ihm erlaubt, es führt einen Abnützungskrieg gegen die Ukraine, die heraus will aus Moskaus Einflusssphäre. Russland kämpft um seine Machtinteressen, Brüssel und Berlin drücken alle Augen zu: Gott sei Dank, dass Putin nicht offiziell einmarschiert, sondern nur Freiwillige und Waffen über die Grenze schiebt! Gott sei Dank, dass er parallel immer neue Waffenstillstände fordert, da können wir auf ernsthafte Sanktionen verzichten. Die könnten ja auch uns weh tun!

Ein Ende des ostukrainischen Blutens ist nicht absehbar. Die ukrainische Armee ist zu schwach, um die Grenzen nach Russland unter Kontrolle zu bringen. Kein Problem also für die Russen, Krieger und Waffen ins Kampfgebiet zu schmuggeln. Und Europa? Bemüht sich weiter "den Dialog mit Moskau nicht abreißen zu lassen". Immerhin, Eurocontrol reagiert entschlossen: Die Flugrouten über der Ostukraine wurden gesperrt.

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