Kommentar Debatte über direkte Demokratie - Neu gefragt: Das Volk

Es geht um Europa. Und um die Frage: Wie viel Europa hätten wir gern? Zum Beispiel das Europa der 27 EU-Staaten. Auch das Europa der 17 Länder der krisengebeutelten Euro-Zone, das für Binnenmarkt, für freies Reisen ohne Grenzkontrollen, für freie Arbeitsplatzwahl für jeden EU-Bürger in jedem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder auch für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik steht.

Auch wenn diese an kritischen Tagen uneinig papiertigert, wie die deutsche Enthaltung im UN-Sicherheitsrat im Libyen-Krieg gezeigt hat. Was wir wollen, können nur wir selbst entscheiden. Wenn wir es denn können. Je mehr es kriselt und je mehr über europäische Integration gesprochen wird, desto mehr kommt unweigerlich das Votum derer ins Spiel, die Europa ausmachen sollen: die Bürger.

Dieses Europa ist in Zeiten der Euro-Krise gefragter denn je. Der Bestand des Euro entscheide auch über Krieg und Frieden in Europa, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel mehrmals betont. Fällt der Euro, fällt Europa. Zurück in die Wagenburg der Nationalstaaten kann in einer globalisierten Welt niemand wollen, der die Stärke einer Exportnation wie Deutschland nicht riskieren würde.

Europa ist gefordert. Und damit könnten künftig auch seine Bürger stärker als bislang gefragt werden. In Volksentscheiden über den weiteren europäischen Weg. Wenn Nationalstaaten mehr Kompetenzen an Brüssel übertragen, wenn Souveränität berührt und nationale Hoheitsrechte beschnitten werden, ist der Punkt nah, an dem auch die Grenzen des Grundgesetzes erreicht sind.

Dann müsste man, wollte man das Europa der Bürger nicht nur konsequent interpretieren, sondern auch leben, diese Bürger entsprechend beteiligen. Auch in Deutschland.

Nur: Es geht nicht, jedenfalls nicht so einfach. Das Grundgesetz sieht bundesweite Volksentscheide bisher nicht vor. Solche Volksentscheide sind bislang in einigen Bundesländern möglich, wie zuletzt in Baden-Württemberg zum umstrittenen Milliardenprojekt Stuttgart 21.

National haben die Menschen in Deutschland bislang nur alle vier Jahre die Wahl. Dass das Grundgesetz bundesweite Volksabstimmungen nicht hergibt, ist den Erfahrungen der Weimarer Republik und des Zweiten Weltkrieges geschuldet. Die repräsentative Demokratie war politisch gewollt. Und sie ist es immer noch.

Doch sie könnte in Teilen von europäischen Tatsachen eingeholt werden. Es ist ein Prozess. Wenn sich Europa in einem rasanten Tempo verändert, wenn alte Lösungsmuster nicht mehr greifen, wird sich auch Deutschland als stärkste Volkswirtschaft verändern. Mit der Zwei-Drittel-Mehrheit der repräsentativen Demokratie kann sie wiederum das Grundgesetz verändern, auf dass in relevanten Europa-Fragen das Volk direkt befragt werden kann. Nicht heute, nicht morgen, aber übermorgen.

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