Kommentar Das politisch Machbare

Eingezwängt zwischen dem schwelenden Ukraine-Putin-Konflikt, erhöhter Terrorismus-Gefahr und einer Ebola-Seuche, deren tatsächliches Potenzial niemand kennt, ist es, nüchtern betrachtet, bemerkenswert, dass die Staatschefs Europas die Akte "Unerledigtes" überhaupt aufschlugen - und sich tatsächlich über mehr Klimaschutz stritten. Weniger bemerkenswert ist aus Forscher- und Klimaschützersicht das Ergebnis.

Um die neuen Klima- und Energieziele der EU, etwa eine 40-prozentige Verringerung der Treibhausgasschwaden bis 2030 im Vergleich zu 1990, angemessen einzuordnen, sind vorab unvereinbare Welten zu trennen: das politisch Machbare vom wissenschaftlich Notwendigen. Politik und Physik sind unversöhnlich. Beim globalen Klimaschutz bringen deshalb politische Erfolge, egal wie sehr intern bejubelt, noch lange keinen spürbaren Fortschritt in der Sache. Die Kenntnis von Prozessen, die nach physikalischen Gesetzen takten, kann die politische Welt beeinflussen, aber eben nicht umgekehrt.

Bleiben wir beim Blick durch die politische Brille: Der EU-Gipfel wollte für den anstehenden Weltklimagipfel in Lima (Peru) einen Vorwärtsimpuls setzen. Das ist gelungen. Brüssel signalisiert, wir gehen voran und gehen sogar noch weiter, sofern die USA und China, die beiden Kohlendioxid-Ausstoß-Weltmeister, sich in Lima und 2015 in Paris ebenfalls ehrgeizig präsentieren. Einheitliche, länderübergreifende Einsparziele wären vor allem wichtig für ein Fairplay in einer globalisierten Wirtschaft. Gleiche Erschwernisse für alle. Das klingt jedoch einfacher als es schon innerhalb der EU ist. Das eine Land - Polen - weiß Kohle-Reichtum unter seiner Erdkruste, das andere - Frankreich - spaltet verstärkt Atome, damit aus der Steckdose Strom fließt. Dazwischen Deutschland, das sich gerade zwischen neuen schmutzigen Braunkohle-Meilern, Energiewende und Atom-Ausstieg neu erfindet. Global sind die energetischen Welten noch unterschiedlicher und damit auch Einsicht und Bereitschaft, sich für den Schutz des Klimas und den künftiger Generationen zu engagieren.

Durch die Brille des Forschers sieht das Geschehen völlig anders aus: Zeit? Läuft davon. Physikalische Prozesse? Lassen sich mit dem politisch Machbaren kaum beeinflussen. Das Ziel, dass die Erde sich nicht um mehr als zwei Grad erwärmt, steht für die "Vermeidung von gefährlichem Klimawandel". Leider hat der weltweite Wachstumsexpress auf fossiler Basis jahrelang alle Warnsignale überfahren.

Das Zeitfenster, um das Ruder herumzureißen, schließt sich. Auch deshalb erreichen immer mehr Ideen des Geo-Engineerings die Öffentlichkeit - Maßnahmen zur Kühlung des Erdklimas aus Menschenhand. Noch werden deren Risiken größer beurteilt als ihr Nutzen.

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