Kommentar Das Verbrechen Kinderpornographie - Geraubte Würde

Im Jahr 2009 hatte Ursula von der Leyen einen Plan. Die damalige Bundesfamilienministerin wollte mit einer Änderung des Telemediengesetzes das menschenverachtende Geschäft mit der Kinderpornografie erschweren.

Das Bundeskriminalamt sollte in Zusammenarbeit mit den großen Internetanbietern ermächtigt werden, Webseiten auf kinderpornografische Inhalte hin zu filtern und gegebenenfalls zu sperren. Die Netzgemeinde schrie auf.

Hunderttausende protestierten dagegen, weil sie ihr Grundrecht auf Informationsfreiheit gefährdet sahen. Sie hatten vor allem Angst, das BKA könnte nach intransparenten Kriterien Internetseiten sperren. Das Gesetz passierte tatsächlich den Bundestag, wurde aber nie in die Praxis umgesetzt.

So sind wir heute, einige Jahre weiter, beim Fall des SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy angelangt, der im Zuge von Ermittlungen gegen eine Firma in Kanada ins Visier der Fahnder geraten ist, die wiederum weltweit Filme und Fotos nackter Kinder in eindeutiger oder auch vermeintlich unschuldiger Pose vertreibt und verkauft.

Nacktheit ist kein Straftatbestand. Selbst der Besitz von Fotos, die Kinder beim scheinbar unbeschwerten Baden und Planschen zeigen, ist nicht strafbar. Sie gelten nicht per se als pornografische Darstellung. Doch warum, bitte, speichert der Parlamentarier E., der Angestellte F. oder der Mediziner G. Bilder fremder, nackter Kinder auf seinem Rechner? Weil er dann bessere Gesetzentwürfe formulieren, bessere Bilanzen erstellen oder erfolgreicher operieren kann?

Kinderpornografie ist eines der widerwärtigsten Verbrechen überhaupt, weil Wehrlosen und Schutzbefohlenen damit früh im Leben die Würde geraubt und ihre Seele meist irreparabel geschädigt wird.

Die Verbreiter solcher Filme und Fotos und ihre Konsumenten stört das nicht. Sie bauen darauf, in der Anonymität und im Dschungel des weltweiten Netzes unentdeckt zu bleiben. Häufig genug kommen sie damit auch durch. Man ist sprachlos und ohnmächtig.

Schärfere Gesetze? Natürlich kann man darüber reden. Aber schärfere Gesetze bleiben ein stumpfes Schwert, wenn Ermittlern die adäquaten technischen Instrumente fehlen, um Kinderschändern das Handwerk zu legen, um deren Netzwerke zu verfolgen - im besten Fall bis zum Rechner jedes Endverbrauchers, jenen Personen also, die das Material kaufen und speichern. Sie sind der Markt. Und ohne den Markt würde nicht produziert.

Der Fall Edathy und was immer er noch ans Tageslicht bringt, muss Auslöser sein, wenigstens in Deutschland eine breite Debatte anzustoßen, was der wahre Wert dieser Gesellschaft ist. Nichts garantiert mehr Zukunft als Kinder. Deswegen muss diese Zukunft alle interessieren. Und dafür zählt auch nur eines: der bestmögliche Schutz für Kinder.

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