Kommentar Das Geld des SPD-Kanzlerkandidaten - Monsieur Steinreich

Das muss ihm erst mal jemand nachmachen: Der Kanzlerkandidat der SPD verdient in nicht einmal vier Jahren durch Vorträge mehr als eine Million Euro hinzu, legt das alles bis auf die Stelle hinter dem Komma offen und erhält dafür auch noch Anerkennung, zumindest Respekt von (fast) allen Seiten.

Die da laut gebrüllt haben - im Glauben, den Spitzensozialdemokraten schon erlegt zu haben -, sind als Bettvorleger gelandet. Peer Steinbrück könnte also jubilieren, aber er tut es aus guten Gründen nicht. Denn er weiß: Da ist was hängen geblieben. Nicht die Hunderttausende auf dem Konto von Monsieur Steinreich. Da bleibt ein Makel hängen. Auch wenn es "nur" ein politischer, kein moralischer ist.

Der SPD-Kanzlerkandidat hat nachgewiesen, dass er sich, bis auf Mini-Ausnahmen, an Recht und Gesetz gehalten hat. Er hat offengelegt, was offenzulegen war - und nebenbei dem gesamten Parlament im Effekt noch den Dienst von mehr Transparenz und damit mehr Glaubwürdigkeit erwiesen. Er hat auch - nicht ganz so überzeugend - nachgewiesen, dass er seine Pflichten als Abgeordneter nicht vernachlässigt hat.

Die Vorstellung, dass ein Abgeordneter permanent im Plenum zu sitzen hat, ist ja längst von richtig verstandenen Realitäten überholt. Vor allem aber: Steinbrück hat aus all dem nie ein Geheimnis gemacht. Und: Er hat, das lässt sich nun wirklich nachlesen, niemandem nach dem Mund geredet bei seinen bestens bezahlten Auftritten.

Auch das ist hohe Kunst: sich teuer bezahlen zu lassen und dann dem erlesenen Auditorium die Leviten zu lesen. Das war nicht nur einmal vor Bankern so... Nicht zuletzt kann Steinbrück darauf verweisen, dass er ein Mehrfaches von Vorträgen unentgeltlich gehalten hat.

Alles also halb so schlimm? Eben nicht. Peer Steinbrück hat gehandelt, wie er gehandelt hat, weil er sich im Vorruhestand glaubte. Er hat getan, was viele nach dem Ende ihrer Karriere tun: Er hat sein Können versilbert. Wie Gerhard Schröder, Joschka Fischer oder oder. Der Unterschied ist nur, dass sich jetzt herausstellt, dass es (noch) nicht sein Karriere-Ende war.

Das gibt der Sache von eben auf gleich eine andere Wendung. Da steht ein Kanzlerkandidat der SPD, der - wofür sonst? - für Soziales und soziale Gerechtigkeit zu stehen hat und kassiert mehr als so gut wie alle Sozialdemokraten dieses Landes - und das nebenher. Das macht die ohnehin latent existente Frage, ob das der richtige Kandidat für diese Partei sei, wieder virulent.

Die Umfragen zeigen es: Der Startbonus ist schon wieder verbraucht. Die SPD-Führung wusste um Steinbrücks "Hobby" und sie hat ihn dennoch nominiert. Sie weiß warum. Weil kein anderer so wie er in der Lage ist, Sachkompetenz mit Bissigkeit in der Auseinandersetzung zu verbinden. Jetzt muss die Partei mit ihrem Kandidaten leben. Etwas schlechter als zuvor.

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