Kommentar DAK-Computerstudie - Kinder im Netz

Neulich beim Kinderarzt: Vor der Anmeldung hat sich ein kleiner Stau gebildet. Die Mutter stellt sich an und überlässt das Smartphone ihrer Tochter, geschätzt zwei oder drei Jahre alt.

Die Kleine setzt sich auf die Stufen zur oberen Etage der Praxis fünf Meter weg vom Tresen und schaut fasziniert auf das Display. Dann wischt sie darüber, lacht, wischt wieder - und wird ärgerlich. Irgendetwas funktioniert nicht. Die durch einen gewissen Lärm alarmierte Mutter kommt herbei und navigiert offenbar wieder zu einer Seite, die der Kleinen gefällt. Das Ganze wiederholt sich bestimmt dreimal.

Natürlich ist Kindergeschrei Zukunftsmusik. Doch der Beobachter stellt sich schon die Frage, ob es eine gute Idee der Mutter war, die Tochter auf diese Weise "zu parken". Die für den Umgang mit dem Smartphone notwendige Medienkompetenz kann sie noch nicht haben. Aber hat sie die Mutter? Das Beispiel aus der Kinderarztpraxis mag ein krasses sein.

Doch die gestern vorgestellte DAK-Studie zur Internetnutzung von Kindern und Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren zeigt, dass in diesem Bereich vieles im Argen liegt. Die Hauptverantwortung dafür, etwas an der Situation zu ändern, liegt allerdings nicht in erster Linie bei den Kindern, sondern bei den Eltern.

Vielen von ihnen fehle die Kompetenz, Regeln für die Kinder aufzustellen, damit diese gar nicht erst süchtig werden, meinte ein Suchtexperte gestern. Das habe damit zu tun, dass die Eltern im Gegensatz zu ihren Sprösslingen nicht in die Internetwelt hineingeboren seien. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass viele Eltern kein gutes Vorbild abgeben.

Wenn der Nachwuchs sieht, dass die Erziehungsberechtigten oft im Netz surfen, twittern, WhatsApp-Nachrichten schreiben, auf Facebook aktiv sind oder Mails checken, anstatt mal wieder zu einem Buch zu greifen oder einen Spaziergang zu machen, dann haben die Eltern schlechte Karten, um bei ihren Kindern die Einhaltung von Regeln für den Aufenthalt im weltweiten Netz einzufordern.

Ja, die gar nicht mehr so neuen Medien bieten unglaubliche Chancen, die digitale Welt ist eine faszinierende, und aus der Lebenswirklichkeit der Menschen ist das Netz nicht mehr wegzudenken. Doch auch der Umgang damit will gelernt sein. Bevor die Kinder in die Schule kommen, zeigen die Eltern ihnen normalerweise den sichersten Weg dorthin. Im Netz aber sollen sich viele Kinder allein zurechtfinden? Auch hier brauchen die jungen Nutzer Anleitung und klare Regeln.

Ein Fünftel der Kinder und Jugendlichen sitzt im Durchschnitt täglich drei Stunden oder länger vor dem Monitor. Bei ebenfalls jedem Fünften sehen die Forscher eine problematische Nutzung des Netzes. Erschreckende Zahlen. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung tut gut daran, die Onlinesucht im neuen Jahr zum Schwerpunktthema ihrer Arbeit zu machen.

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