Kommentar Bildungspolitik - Auf halber Strecke

Jeder ist zu loben, der die Kraft aufbringt, eigene Fehler zu korrigieren - selbst dann, wenn die Einsicht spät kommt - zum Beispiel acht Jahre später.

2006, zu Zeiten der ersten großen Koalition unter Angela Merkel, hatte vor allem der damalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) im Zuge der Föderalismusreform das Kooperationsverbot von Bund und Ländern in der Schul- und Bildungspolitik durchgedrückt.

Seitdem hat sich längst schmerzhaft erwiesen, welch blühender Unsinn es ist, dass die staatlichen Ebenen in einer zentralen Frage deutscher Zukunftsfähigkeit nicht zusammenarbeiten sollen. Die Politik hat das erkannt und ist seither viele juristisch bedenkliche Schleich- und Umwege gegangen, um in der Sache vernünftige Entscheidungen treffen zu können. Nun aber soll reiner Tisch gemacht werden.

Wenigstens in den Bereichen Wissenschaft und Forschung sollen künftig Aufgaben von überregionaler Bedeutung dauerhaft vom Bund mit gefördert werden können. Das ist gut so und bedeutet eine große Hilfe für viele Universitäten. Unverständlich aber ist, dass die Koalitionäre auf halber Strecke der Mut verlassen hat.

Was nämlich künftig in der Hochschulpolitik endlich möglich sein soll, bliebe beim Thema Schule weiter verboten. Das ist schwer zu fassen, denn es bedarf keines allzu großen politischen Scharfsinns, um zu erkennen, dass hier viele Bundesländer notwendige Aufgaben nicht mehr alleine lösen können.

Gerade hat eine Bertelsmann-Studie aufgezeigt, dass der Ausbau von Ganztagsschulen zu schleppend voran kommt. Das ist keine Nebensache, denn Chancengleichheit, individuelle Förderung gerade von Kindern aus prekären Milieus, Teilhabe und Inklusion brauchen funktionierende Ganztagesangebote.

Heute aber besucht nur ein knappes Drittel der Schüler eine Ganztageseinrichtung. 70 Prozent der Eltern wünschen sich jedoch einen Ganztagsplatz. Hier aber soll alles beim Alten bleiben, und deshalb springt die Koalition zu kurz.

Nach der Ankündigung des Vorhabens durch Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) beginnt das übliche Tauziehen. Eine Grundgesetzänderung braucht nicht nur im Bundestag, sondern auch in der Länderkammer eine Zweidrittelmehrheit. Das heiß: Die Länder mit grünen Regierungsbeteiligungen müssen dem Projekt zustimmen und dürfen sich nicht einfach der Stimme enthalten.

Das ist noch nicht gesichert, denn die Grünen pochen vehement auf einen Wegfall des Kooperationsverbots auch für den Schulsektor. Das ist zwar verständlich, darf aber nicht zu einer Blockadehaltung führen. Man wird doch wohl nicht im Ernst etwas an sich Gutes mit dem Argument aufhalten können, dass es auch noch besser ginge. Wenn das die Maxime der Politik wäre, ließe sich nämlich überhaupt kein Gesetz verabschieden.

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