Kommentar Bachs Wahl zum IOC-Präsidenten ist gut für Deutschland

Bonn · Deutschland ist eine Weile schon nicht mehr Papst, stellt nun aber wieder einen obersten Hirten: den des Weltsports. Das ist auch für Deutschland gut.

Thomas Bach, der Anwalt und Sportfunktionär aus Tauberbischofsheim, hat als begnadeter Netzwerker jahrzehntelang geduldig und gezielt auf das hingearbeitet, was er Dienstag vollzog: den Sprung ins höchste Amt des Sports - als erster Deutscher.

Mit Blick auf die Bedeutung der einst schönsten Nebensache der Welt für Wirtschaft und Renommee einer Nation wird klar, dass Bachs Wahl zum Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees nur gut für Deutschland sein kann. Balltreten, Laufen, Springen, Werfen und Kämpfen bewegen in unserer Zeit die Menschen in aller Welt. Viele sehen im Sport eine Ersatz-Religion - eine sehr friedliche, die für Völkerverständigung und Toleranz wirkt.

Als die wohl einzige globale Bewegung, die alle Religionen und politischen Ideologien unter einen Hut zu bringen vermag - zumindest meistens. Mehr als 200 Nationen nehmen alle vier Jahre an den Olympischen Sommerspielen teil, der Weltmesse des Sports.

Auch die Last-Minute-Attacke des Schweizer Konkurrenten Denis Oswald parierte Bach gekonnt in gewohnter Manier: Er ließ einen anderen für sich sprechen. In diesem Fall den ebenfalls politisch mit allen Wassern gewaschenen früheren nordrhein-westfälischen Grünen-Minister Michael Vesper, seit 2006 Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes. Oswalds Vorwurf, Bach sei von wirtschaftlichen Allianzen abhängig, wies Vesper zurück. Dass der Generaldirektor Favorit auf die Nachfolge Bachs als DOSB-Präsident ist, gehört zu den Gesetzen der Sportpolitik.

Die Disziplin Diplomatie beherrscht kaum einer so perfekt wie der Strippenzieher und Taktierer Thomas Bach. Gewissermaßen als Angela Merkel des Sports vermeidet er Fettnäpfchen oft durch stoisches Nichtreagieren und Abwarten, notfalls durch Ausweichen. Das nervt seine Gegner: er bietet keine Angriffsfläche. Auf diese Weise pariert er alle Attacken - auch die für Bach zur Unzeit wenige Wochen vor der IOC-Session in Buenos Aires aufgekommene Diskussion über Doping in Westdeutschland zu Zeiten des Kalten Krieges.

Obwohl in deren Zentrum genau jene Ära steht, in der Bach als Mannschafts-Olympiasieger im Fechten 1976 seinen größten sportlichen Triumph feierte. Böse Zungen mögen ihm Opportunismus als Motiv nachsagen, aber zumindest in Dopingfragen hat Bach seit seinem IOC-Einstieg als Mitglied der Athletenkommission stets klare Kante gezeigt.

Am Ziel seines persönlichen Ehrgeizes angelangt, kann und muss der Tauberbischofsheimer in den kommenden acht Jahren beweisen, dass er als ehemaliger Spitzenathlet wirklich die Seele des Sports verkörpert. Und nicht - wie seine Kritiker befürchten - von Machthunger getrieben, weiterhin duldet, was über Jahrzehnte im IOC an der Tagesordnung war: Korruption nicht zuletzt bei der Vergabe von Posten und Olympischen Spielen.

Herausforderungen gibt es zur Genüge. Gigantismus eindämmen, Doping bekämpfen. Antworten finden, wie der Olympische Sport für die Jugend der Welt attraktiv erhalten werden kann. Bach muss klarer als bisher sagen, was er inhaltlich will. Um in der Sprache seiner Sportart zu bleiben: Die Zeit des Fintierens ist vorbei. Jetzt muss Thomas Bach zustoßen.

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