Kommentar Aufruhr in Ägypten - Syrien als Warnung

Das Unheil hatte sich schon vor knapp drei Wochen angekündigt, als Ägyptens Militär das Volk aufrief, gegen die Anhänger der Muslimbrüder und ihres gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi auf die Straße zu gehen. Seitdem haben eine Reihe westlicher Politiker durch Besuche in Kairo versucht, mäßigend auf die neue Führung einzuwirken, damit das Land am Nil nicht im Chaos versinkt. Vergeblich.

Die Verhängung des Ausnahmezustandes ist der bisherige Höhepunkt der Auseinandersetzung zwischen der Armee und den Anhängern der Muslimbrüder. Eine Maßnahme, die die Sicherheitskräfte nun dadurch begründen können, dass sie damit noch mehr Blutvergießen verhindern wollen. Aber dass sie selbst viele Tote durch ihr völlig überzogenes, brutales Vorgehen zu verantworten haben, sagen sie nicht.

Das gegenseitige Abschlachten der Bürgerkriegsparteien in Syrien sollte dem Westen Warnung sein, dass eine Politik des Zögerns und Zauderns keine Strategie sein kann, sondern die Konflikte nur immer schlimmer macht. Wo aber der Westen keinen Einfluss ausübt, springen andere Mächte ein - im Falle Mursis der Emir von Katar, der auch die islamistische Hamas im Gaza-Streifen stützt. Sobald Mursi abgesetzt war, flossen die Milliarden nach Kairo aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten, beides autokratische Monarchien, deren Verständnis eines gelebten Islam noch im Mittelalter verhaftet ist. Wer warum nun entschied, die Situation in Ägypten bewusst eskalieren zu lassen, ist noch unklar.

Die Armee hat in Ägypten seit der Absetzung von König Faruk 1952 traditionell ein hohes Ansehen genossen - als Retter und Helfer beim Aufbau des Staates. Dieser Ruf hat die Opposition gegen Mursi wohl dazu verleitet, nun wieder im Militär die Rettung zu sehen. Doch daraus dürfte nicht nur wegen des harten Kurses der Sicherheitskräfte kaum etwas werden. Die säkulare Unternehmenselite und das Militär haben viel zu ähnliche Interessen, als dass sie sich das Heft aus der Hand nehmen lassen werden. Was Mursi nicht schaffte - Bürokratie, Korruption und überbordende Subventionen abzubauen - werden die neuen Machthaber kaum bewältigen.

Eine Chance, das Land zu befrieden, gibt es nur, wenn die neue Führung Mursi endlich freilässt, um seine Anhänger zu beruhigen, und wenn sie über eine neue, demokratische Verfassung abstimmen lässt und Neuwahlen ausschreibt. Wie der Westen muss auch die Armeeführung anerkennen, dass die Islamisten eine gesellschaftliche Größe sind, die nicht einfach durch brutale Gewalt aus der Welt zu schaffen sind. Unter Mursi hatten sie fast völlig an Ansehen verloren, weil sie das Land wirtschaftlich an den Abgrund geführt hatten. Genau das sollten die säkularen und demokratischen Kräfte als eine Chance sehen.

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