Kommentar Auf der Flucht

Brüssel · Sie sind der Kollateralschaden der aktuellen Krisen: die Flüchtlinge. Menschen, die aus Angst davor fliehen, zwischen den Fronten in ihrer Heimat aufgerieben zu werden, Opfer politischer Fehden zu sein, die keine Rücksicht auf die Zivilbevölkerung nehmen. Was Experten vorausgesagt haben, ist längst eingetreten: Die Welle der Flüchtlinge schwillt an.

Tausende bezahlen die Hoffnung auf ein sicheres Leben mit dem Tod. Italien, Griechenland und Spanien haben sich viele Vorwürfe anhören müssen, weil die Klagen wegen Überlastung einfach nicht enden wollten. Wer aber die Situation vor Ort kennt, weiß: Das kann kein Land alleine schaffen.

Muss es auch nicht. Längst stimmt das Bild einer EU-Süd, die allein auf den Fluchtopfern sitzenbleibt, nicht mehr. Auch Deutschland engagiert sich. Für manche sogar zu sehr. Dabei wird in der öffentlichen Diskussion zu oft alles in einen Topf geworfen, was von außen kommt: Flüchtlinge und solche, denen Asyl zu Recht zusteht, brauchen unsere Solidarität und Hilfe.

Aber diejenigen, die sich in betrügerischer Absicht das beste Sozialsystem der Welt zum Leben aussuchen wollen, müssen ausgeschlossen werden können. Deshalb geht, was die Bundesregierung am Mittwoch verabschiedet hat, aus mehreren Gründen in Ordnung. Man sortiert diejenigen aus, denen unsere Solidaritätsleistungen für Menschen in Not nicht zustehen, um sie für die zu erhalten, die sie wirklich brauchen. Dass man diese Neuregelung mit Zerrbildern vom vermeintlich massenhaften Sozialleistungsbetrug erkaufte, ist zwar richtig. Dennoch braucht ein Land, das sich nicht verschließt, eben auch einen gesellschaftlichen Konsens. Selbst wenn das Problem der illegalen Zuwanderer nur lokal begrenzt sein mag, muss sich ein Staat wehren können, bevor sein Sozialsystem regelrecht ausgebeutet wird.

Trotzdem ist die Bundesrepublik nicht aus dem Schneider. Denn wir bleiben als Europäer mitverantwortlich - nicht nur für das, was in unseren Städten passiert, sondern auch für das, was sich da gerade in dramatischer Weise im Mittelmeer abspielt. Dabei geht es gar nicht nur immer um Geld, sondern auch um das Gewicht unseres Landes. Ohne außenpolitische Aktivitäten, ohne Kooperationen mit jenen Staaten, aus denen die Menschen glauben fliehen zu müssen, werden weder die Gemeinschaft noch Deutschland zur Ruhe kommen.

Auch wenn man derzeit nicht einmal wissen kann, mit wem man im zerfallenden Libyen eigentlich verhandeln sollte, kommt man um Gespräche nicht herum. Und auch wenn weder Berlin noch Brüssel alle Schreckensherrschaften in Afrika beenden und durch demokratische Regierungen ersetzen können, wird man Fluchtursachen bekämpfen müssen. Um der Flüchtlinge, aber auch um der eigenen Grenzen willen.

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