Kommentar Atomkraft - Dreister Vorstoß

Die Methode kommt einem bekannt vor: Solange das Geschäftsmodell läuft, werden die Gewinne eingestrichen, wenn es den Bach 'runter geht, wird versucht, das Risiko auf die Allgemeinheit abzuwälzen.

Vorgemacht haben es (nicht nur) die Banken, jetzt wollen die Energiekonzerne auf diesen Zug aufspringen. Der Staat - also der Steuerzahler - soll das Kosten-Restrisiko der Stilllegung von Atomkraftwerken und der atomaren Entsorgung tragen. Das ist nicht akzeptabel.

Aber ist es letztendlich vermeidbar? Nur auf den ersten Blick ist die Angelegenheit wirklich klar. Richtig ist: Jahrzehntelang haben die Energiekonzerne mit den Atommeilern gutes Geld verdient - kräftig gefördert vom Staat, der die Atomkraft (wie heute die Erneuerbaren Energien) kräftig subventioniert hat - wobei die Schätzungen je nach Interessenlage zwischen 50 und 200 Milliarden Euro liegen.

Richtig ist aber auch: Der Atomausstieg, mit gutem Grund beschlossen nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima, hat die Geschäftsgrundlage der Energiekonzerne massiv verändert. Geplant hatten sie, in den letzten Laufzeitjahren der Atomkraftwerke, wenn diese schon abgeschrieben sind und damit die Gewinne sprudeln, das Geld für ihren Rückbau und die Endlagerung zu verdienen. Der schnelle Atomausstieg macht ihnen einen Strich durch diese Rechnung.

Zwar haben die Energiekonzerne schon in den vergangenen Jahren fast 36 Milliarden Euro an Rückstellungen gebildet, um Abriss und Endlagerung ihrer Atommeiler zu finanzieren. Allerdings weiß niemand, ob dieses Geld wirklich ausreicht. Seit 50 Jahren wird ein sicheres Endlager gesucht - Kostenfrage: völlig offen. Und beim Abriss ist es nicht anders als beim Bau von Großprojekten: Fast immer wird es teurer als geplant. Vor allem aber : Macht ein Energiekonzern pleite, ist die Rücklage futsch.

Schon vor zwei Jahren haben nicht nur Atomkraftgegner wie Greenpeace deshalb gefordert, die Rückstellungen in einen öffentlich-rechtlichen Fonds einzuspeisen. Damals war diese Idee für die Kraftwerksbetreiber noch Teufelswerk. Dass sie sich heute dafür starkmachen, vorausgesetzt, der Staat übernimmt Betrieb und sämtliche Risiken der Atomkraft gleich mit - verbunden mit dem Angebot, man könnte dann auch auf Schadenersatzklagen in Milliardenhöhe wegen des Atomausstiegs verzichten - , ist schon bemerkenswert dreist.

Auch wenn sie noch so sehr jammern: Die Energieerzeuger müssen die Suppe, die sich mit der Atomkraft eingebrockt haben auch auslöffeln, sie dürfen aus dieser Verantwortung nicht entlassen werden. Nur in einer Hinsicht ist diese Debatte erfreulich: Sie entlarvt die Legende von der billigen Atomkraft einmal mehr als Trugbild. Am Ende aber, so steht zu befürchten, ist der Steuerzahler der Dumme.

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