Kommentar Ägypten und die USA - Obamas Lebenslüge

Ägypten kommt nicht zur Ruhe. Und wie reagiert die Supermacht USA? Alle Appelle der Regierung in Washington, die Muslimbrüder und deren Anhänger nicht mit Gewalt von den Straßen zu vertreiben, sind erkennbar ergebnislos verhallt.

Die neuerliche Zuspitzung offenbart eine außenpolitische Fehlleistung erster Güte. Es gibt keinerlei Hinweis auf eine Besserung der Lage. In Kairo, da, wo Präsident Barack Obama kurz nach Amtsantritt der Arabischen Welt die Hand zu einer neuen Partnerschaft entgegengestreckt hat, sterben die Menschen zu Hunderten.

Auf das Traurigste bewahrheitet sich, was Obamas hemdsärmeliger Sonder-Botschafter John McCain jüngst nach einem fehlgeschlagenen Vermittlungsversuch vor Ort voraussah: Ohne demokratische Dialogbereitschaft der Armee und der Muslimbrüder rückt das Land an einen Bürgerkrieg heran.

Dass es überhaupt soweit gekommen ist, muss man zum Gutteil Obama und dem seit Jahrzehnten unveränderten Schlingerkurs der USA am Nil anlasten. Erst wurde Langzeitherrscher Husni Mubarak hofiert. Dann Mursi.

Als dessen demokratisch legitimierte Herrschaft despotische Züge annahm und das Volk per Militärputsch den Abgang erzwang, lavierte Washington. Mit Worten wurde der Aufstand der Straße unterstützt. Hinter dem Rücken floss weiter jene milliardenschwere Militärhilfe, die General al Sisi jetzt in den Stand setzt, sich auch auf den Straßen durchzusetzen.

Obwohl Obama, Außenminister Kerry, Verteidigungsminister Hagel und andere Führungsfiguren zur Zurückhaltung mahnen. Womit der Beweis erbracht wäre: Ägypten hört nicht mehr auf Amerika. Was sich in diesen Tagen in Kairo und anderen Städten abspielt, legt eine fatale Komplizenschaft frei: Mursi-Anhänger sterben durch Waffen, die Amerika finanziert hat.

Die Neutralität, zu der sich Washington stets bekennt, und die Aufrufe zur inneren Versöhnung entpuppen sich als Hohn. Das Weiße Haus hat sich bisher geweigert, die Entfernung Mohammed Mursis von der Macht als einen Putsch zu bezeichnen - ein Schritt, der Obama zwingen würde, jährliche Hilfe im Umfang von 1,3 Milliarden Dollar für Ägypten auszusetzen.

Tatsächlich hat Obama alle Rufe nach Einstellung der Militärhilfen mit dem Hinweis gekontert, dann verlöre Washington sein Druckmittel auf die Generalität. Die Wirklichkeit enttarnt diese Haltung als Lebenslüge. Washington muss den Geldhahn umgehend zudrehen, das Militär zur Räson bringen und die Streitparteien auf einen gewaltfreien Verhandlungsweg zwingen.

Andernfalls verliert Amerika in der Krisen-Region Nahost jeden Einfluss und führt radikalen Islamisten-Gruppen Hunderte neue Kämpfer zu. Das wäre dann der Flächenbrand, vor dem der Westen so viel Angst hat.

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