Kommentar Abspaltung der Krim - Nadelstiche

Die EU trifft nicht die russische Führung, wohl aber die Scharfmacher, die Vasallen Putins, die im Konflikt um die Halbinsel Krim die Drecksarbeit vor Ort gemacht haben. Man will klarmachen, dass Moskau dieses Mal nicht so ungeschoren davonkommt wie noch vor einigen Jahren im Kaukasuskrieg.

Das ist konsequent und richtig. Denn wer glaubt, er könne sich im 21. Jahrhundert der Instrumente des 19. und 20. Jahrhunderts bedienen, um Grenzen zu seinen Gunsten zu verändern, muss in die Schranken gewiesen werden.

Doch der einmalige Griff zur Sanktionskeule reicht nicht. Erst die nächste Stufe wird Präsident Wladimir Putin wirklich zu spüren bekommen. Dann nämlich geht es um Handelsbeschränkungen. Der Kreml-Chef weiß selbst am besten, dass er seine vollmundigen Ankündigungen, beispielsweise den Gashahn abzudrehen, mit dem Verlust von Milliarden-Einnahmen bezahlen müsste, die seiner Wirtschaft dringend fehlen würden.

Er mag wohl auch inzwischen ahnen, dass er sich verkalkuliert haben könnte, als er auf die Zerstrittenheit der Europäer setzte. Bisher hält die Geschlossenheit. Putin sollte sie nicht weiter testen, sondern das Angebot der EU zu Gesprächen annehmen.

Europa hat vom ersten Tag dieser Krise an deutlich gemacht, dass es die Eskalation der Vorgänge als einzigartigen Rückfall in historisch dunkle Vorzeiten ansieht. Die gewichtigen Worte machten es notwendig, Sanktionen nicht nur zu diskutieren, sondern auch in Kraft zu setzen. Das ist nun geschehen.

Sicherlich sind die gestern erlassenen Maßnahmen kaum mehr als Nadelstiche. Ihre eigentliche Bedeutung besteht in der Botschaft, dass die Spirale der Strafmaßnahmen in Gang gekommen ist - und sich weiterdrehen könnte. Die Bedenken einiger Mitgliedstaaten gegen eine Verschärfung sind verständlich.

Wer mit seiner Energieversorgung vollständig von russischen Lieferungen abhängig ist, tut sich schwer, das eigene Chaos heraufzubeschwören. Wenn die EU tatsächlich zusätzliche Sanktionen erlassen will, muss sie Gewaltiges schaffen - auch die Versorgung bislang von Moskau abhängiger Mitgliedstaaten. Dazu ist man in Brüssel bereit.

Damit hätte Putin genau das Gegenteil dessen erreicht, was er wollte: Die EU wäre nicht, wie von Moskau erhofft, in ihre Einzelteile zerfallen, sondern hätte sich sogar noch mehr zusammengefunden. Putins Strategie ist gescheitert. Schon jetzt. Ob mit oder ohne Krim.

Für die EU ist das ukrainische Abenteuer aber noch längst nicht zu Ende. Mit größter Skepsis beobachtet man in Brüssel, dass die neue Regierung wenig enthusiastisch an das Thema Neuwahlen herangeht. Deshalb war es richtig, Kiew gestern eine klare Mahnung zu schicken: Die Regierung Jazenjuk muss demokratische Reformen einleiten. Neuwahlen sind der erste Schritt dazu.

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