Kommentar 19. Weltklima-Gipfel - Offenbarungseid

Seit 18 Jahren versuchen Delegierte aus mehr als 190 Ländern, die klimaschädlichen Ausdünstungen der Zivilisation einzudämmen. Vergeblich. Die vielen kleinen Schritte in die richtige Richtung, wie bescheidene Konsenspapiere im Diplomatensprech verkauft werden, haben nichts bewirkt.

Seit 18 Jahren "Business as usual": Wissenschaftler warnen, Politiker versprechen - und versagen. Tatsächlich steigt die Kohlendioxid-Weltemission von von Jahr zu Jahr. Es wird immer mehr Öl, Kohle und Gas zur Energiegewinnung verbrannt. Auch der 19. Versuch endete am Wochenende in Warschau wie die 18 UN-Klimagipfel zuvor: Problem vertagt - und nicht aus der Welt. Ein Offenbarungseid.

Große Fragen warten weiter auf Antworten: Welches Land muss seine Emission drastisch drosseln, welches weniger? China weniger als die USA, weil die Amerikaner und andere, darunter Deutschland, die Atmosphäre schon einige Jahrzehnte länger klimaschädlich zugehustet haben? Wer muss wie viel für seine vergangenen Klimasünden, die bis heute wirken, in einen Anpassungsfonds zahlen? Brasilien weniger als Deutschland? China weniger als die USA? Während die Verursacher der Erderwärmung übers Geld streiten, sitzen einige Geschädigte bereits auf im Meer versinkenden Erdschollen. Sie sind wirklich schutzlos: Weder hilft ihnen die Genfer Flüchtlingskonvention noch das Völkerrecht. Aber auch die Hauptverursacher werden Geschädigte sein oder sind es bereits.

Die Industrie- und Schwellenländer verweigern sich weiter Lösungen, die in die Zukunft tragen. Gleichzeitig rennt der Menschheit auf ihrem Planeten die Zeit davon. Dabei ist der Ernst der Lage nicht nur Bürgern in der Dritten Welt, sondern auch denen der sogenannten Informationsgesellschaften im Norden wenig bewusst.

Es ist erstaunlich, wie sehr die sich anbahnende größte von Menschen verursachte Katastrophe ignoriert wird. Sie ist von den nationalen politischen Agenden ebenso verschwunden wie aus Medien und Talkshows. Bei der kollektiven Verdrängung hilft der Generationen-Egoismus und die Vorstellung, dass heute Lebende glimpflich davon kommen - könnten. Sollten der Supertaifun "Haiyan" oder die Mai-Fluten in Deutschland bereits das Ergebnis einer 0,8-Grad-Erwärmung sein: Was droht dann bei zwei Grad mehr?

Da geistert ein Zwei-Grad-Ziel durch die Welt, das zu erreichen als erstrebenswert gilt. Denn bei mehr Erderwärmung würde es richtig ungemütlich, heißt es. Vor allem aber wäre damit wahrscheinlich der komplette Eisverlust Grönlands verbunden, was nicht nur ein Steigen des Meeresspiegels um sieben Meter, sondern schlichtweg Kontrollverlust bedeutet: Der Mensch kann danach kaum noch etwas beeinflussen. Aus einem hellen Grönland würde eben Grünland, eine dunklere Fläche - eine Herdplatte, die wie ein dunkles Auto im Sonnenschein wirkt.

Der 19. Klimagipfel hat nichts entschieden, was das Zwei-Grad-Ziel erreichbar macht. Es wurde 2009 in Kopenhagen beschlossen und damit, ohne es auszusprechen, auch der Untergang vieler Inselstaaten. "Selbstmord-Pakt" nannten das die Entwicklungsländer. Bisher spricht viel dafür, dass es nicht eines fernen Tages ungemütlich wird, sondern bereits dann, wenn unsere Kita-Kinder die Universität besuchen.

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