Ulrich Kelber: "Die Region muss auf konkrete Zusagen dringen"

Der SPD-Abgeordnete zu den BaFin-Plänen, zum Rutschbahn-Effekt und zur Rolle Westerwelles für Bonn

In der Krise darf die Bankenaufsicht nicht durch eine Reorganisation für Monate gelähmt werden, sagt der Bonner SPD-Abgeordnete Ulrich Kelber. Mit ihm sprach Thomas Wittke.

General-Anzeiger: Schwindet mit der Zusammensetzung des 17. Bundestages die Interessenvertretungschance für Bonn?

Ulrich Kelber: Nein! Sowohl in der Regierung als auch in der Opposition sind starke Vertreterinnen und Vertreter der Region zu finden. Jetzt kommt es darauf an, dass sie sich durchsetzen. Was mich ein wenig geärgert hat, war das Stillschweigen der örtlichen CDU und FDP zur Debatte um 1 300 Bonner Arbeitsplätze bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Da habe ich bisher weniger Rücksicht auf meine Partei genommen, wenn von dort falsche Vorschläge gekommen sind. Ich selbst werde in Zukunft etwas indirektere Wege gehen müssen, um Bonner Interessen durchzusetzen. Bei der Debatte über die BaFin hat der gemeinsame Druck von Beschäftigten und Region aber wohl schon Wirkung gezeigt.

GA: Wie hoch ist das Risiko, dass in dieser Legislaturperiode der viel beschworene Rutschbahneffekt neue Dynamik erfährt?

Kelber: Das Risiko ist genau so groß wie nach den beiden letzten Bundestagswahlen. Weder finanzielle noch organisatorische Gründe sprechen für weitere Umzüge nach Berlin, im Gegenteil. Aber wir werden das Thema wohl in jeder Sommerpause neu erleben. Entscheidend ist jetzt, dass es - wie in den Koalitionsverträgen 2002 und 2005 - keine für Bonn ungünstigen Festlegungen im schwarzgelben Koalitionsvertrag gibt.

GA: Wenn die Bundesbank die Aufsicht stärken will und die BaFin an sich bindet - was spricht fachpolitisch dagegen?

Kelber: Die Bankenaufsicht muss jetzt - mitten in der weltweiten Finanzkrise - ihren Job vor Ort bei den Bankinstituten machen und nicht mit einer Reorganisation für Monate gelähmt werden. Bis zur endgültigen und verlässlichen Klärung, dass der Standort Bonn erhalten bleibt, droht weiter der Verlust wichtiger Experten, die keinen erneuten Umzug (2000 zogen die Vorgängerorganisationen von Berlin nach Bonn) mitmachen wollen und sich auf andere Jobs bewerben. Einige Aufgaben der Bankenaufsicht sind hoheitlich und müssen daher einer parlamentarischen Kontrolle unterliegen. Das lässt sich nur schwer mit der Unabhängigkeit der Bundesbank vereinbaren. Und bei der Aufsicht über Versicherungskonzerne besitzt die Bundesbank heute weder Zuständigkeiten noch Fachwissen, da macht eine Fusion mit der BaFin besonders wenig Sinn.

GA: Wie beurteilen Sie die Koalitionseinigung in Sachen BaFin?

Kelber: Ich nehme die Zusage der Koalition, den Standort Bonn zu erhalten, zur Kenntnis. Das ist gewiss eine Reaktion auf den Druck der letzten Tage. Sie gibt aber noch keine Sicherheit für die Zukunft. Die Region muss bei der Gesetzgebung auf konkrete Zusagen dringen.

GA: Ein anderer Sorgenpunkt für Bonn: die Existenz des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit: Gibt es wiederum in der Sache einen Grund, der dagegen spricht, das BMZ in das Auswärtige Amt aufgehen zu lassen?

Kelber: Eine ganze Reihe von Gründen spricht für ein eigenständiges BMZ, das sehen die meisten Experten und alle Parteien außer der FDP so. Das Auswärtige Amt soll deutsche Interessen im Ausland vertreten, die Entwicklungszusammenarbeit dient der Armutsbekämpfung und ist unabhängig von diesen Interessen zu betreiben. Das BMZ muss als Querschnitts-Ministerium viele Politikbereiche integrieren. Viele europäische Politiker beneiden uns um ein eigenständiges BMZ.

GA: Wie viel Kraft hat der Bonn/Berlin-Vertrag in diesem Zusammenhang noch?

Kelber: Ich gebe meinen Glauben nicht auf, dass die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten sich an die Zusagen an die Region Bonn gebunden fühlt. Vor allem wenn der Bruch des Bonn/Berlin-Gesetzes weder finanzielle noch organisatorische Vorteile brächte, sondern teuer wäre und erneut Kompetenzverluste durch das Ausscheiden der besten Mitarbeiter zur Folge hätte, die einem erneuten Umzug entgehen wollen.

GA: Wird ein Vizekanzler Westerwelle Schaden von der Bundesstadt abwenden können?

Kelber: Diese Frage jetzt zu beantworten, wäre verfrüht. Er muss mehr Verantwortung für Bonn übernehmen, als er es die letzten Jahre gezeigt hat. Aber man darf ihn dann auch als politischer Konkurrent nur an den Ergebnissen messen und nicht jetzt schon verurteilen.

Zur PersonUlrich Kelber (41) war von 2001 bis 2008 Vorsitzender der Bonner SPD. 2000 kam der Diplom-Informatiker als Nachrücker in den Bundestag, am 27. September holte er zum dritten Mal das Bonner Direktmandat.

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