GA-Interview mit Ribal al-Assad "Man muss Assad eine Zeit lang tolerieren"

Bonn · Zwei Wochen nach den internationalen Syrien-Gesprächen in Wien treffen morgen die Außenminister mehrerer Länder erneut zu Beratungen über eine Beilegung des Konfliktes zusammen. Ohne eine neue Strategie, sagt Ribal al-Assad, sei auch diese Konferenz zum Scheitern verurteilt. Der Cousin des syrischen Herrschers engagiert sich im Londoner Exil für den Frieden. Jasmin Fischer sprach mit ihm.

 Überleben in Ruinen: Syrische Rebellen füllen Sandsäcke in der Stadt Daraa. Die Tücher sollen sie vor Scharfschützen der Armee schützen. FOTO: AFP

Überleben in Ruinen: Syrische Rebellen füllen Sandsäcke in der Stadt Daraa. Die Tücher sollen sie vor Scharfschützen der Armee schützen. FOTO: AFP

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Ist das heutige Treffen der Außenminister der Schlüssel zum Frieden in Syrien?

Ribal al-Assad: Die Gespräche sind ein guter Start, aber ich habe trotzdem kaum Hoffnung. Saudi-Arabien möchte den syrischen Herrscher Baschar al-Assad loswerden, Russland stützt ihn. Andere Außenminister wollen ebenfalls nicht mit Assad verhandeln.

Vor zwei Wochen saßen in Wien Vertreter von 17 Ländern zusammen, um eine Lösung zu finden - nur aus Syrien, dem Land, um dessen Zukunft es geht, war niemand eingeladen. Wie sehen Sie das?

Assad: Ich frage zurück: Wen wollen Sie aus Syrien einladen? Sie können entweder Vertreter des Regimes, einer Diktatur, an den Tisch bitten oder die jetzige Opposition, die aber das syrische Volk nicht repräsentieren kann, weil sie nicht demokratisch gewählt worden ist. Es ist peinlich für Syrien, dass es keine tragfähigen Alternativen gibt.

Wie könnte eine solche Alternative aussehen?

Assad: Es gibt in Syrien Tausende junge, gebildete Menschen, die den Islamismus verabscheuen und sich in einem demokratischen Prozess engagieren würden. Vorbedingung: Sie müssen sich klar zur Gleichberechtigung aller Religionen, Ethnien und der Geschlechter bekennen. Wir brauchen eine Konferenz mit Vertretern dieser Gruppen. Sie müssen in Parteien organisiert und gestärkt werden, weil sie Keimzelle eines positiven Wandels sind. Solange das nicht passiert, stehen die Menschen in Syrien vor nur zwei Alternativen: der Diktatur oder dem vorrückenden Islamismus. Es wäre schön, wenn Deutschland als neutrale Instanz diese Konferenz ausrichten würde - die Syrer vertrauen und bewundern Deutschland.

Was halten Sie von denjenigen Stimmen, die sagen: Es kann ohne Baschar al-Assad, der zwar viel Leid angerichtet hat, keine Lösung geben?

Assad: Ich verstehe diese Sichtweise. Wenn Baschar al-Assad mit seinem Regime fällt, füllen islamistische Gruppen das Machtvakuum sofort aus. Das wäre die nächste Katastrophe - und eine halbe Million Menschen sind ja bereits gestorben, Millionen begeben sich auf die Flucht. Wenn die Lage nicht noch weiter eskalieren soll, fürchte ich, muss man Baschar al-Assad für eine Übergangszeit tolerieren. Danach sollen die Syrer in freien Wahlen über ihn entscheiden.

Wie hilfreich ist die russische Intervention in Syrien? Und was halten Sie von Gedankenspielereien in den USA, in Syrien so einzumarschieren wie in den Irak?

Assad: Wladimir Putin schützt mit seinem Engagement das Regime, aber er schützt auch sich selbst vor islamistischen Gruppen - und er hat Interesse am Zugang Syriens zum Mittelmeer. Er hilft also sicher nicht umsonst. Viele profitieren von seinem Eingriff. Denn solange er aus der Luft angreifen lässt und sich zu Lande auf die syrische Armee stützt, muss kein anderes Land mit Bodentruppen einmarschieren. Die USA haben jedenfalls kein Interesse, erneut in einen langen Krieg hineingezogen zu werden. Ich halte die Intervention Russlands allerdings nicht für hilfreich.

Die Bundesrepublik Deutschland nimmt sehr viele syrische Flüchtlinge auf. Freut Sie das?

Assad: Ich sehe, dass sich viele Deutsche in die entsetzliche Not dieser Flüchtlinge einfühlen und ihre desolate Lage respektieren. Das ist gut. Aber es ist auch teuer. Und es wäre viel, viel günstiger und effektiver gewesen, schon die Flüchtlingslager im Libanon, in Jordanien oder in der Türkei finanziell so zu unterstützen, wie es die Staatengemeinschaft versprochen hat. Die Syrer dort leiden Hunger und Kälte, weil der UN die Ressourcen zur Versorgung fehlen. Nur deshalb machen sich ja erst jetzt, fünf Jahre nach Kriegsbeginn, Tausende Syrer auf den lebensgefährlichen Weg nach Deutschland. Ihre Heimat liegt mittlerweile in Schutt und Asche - sie können vorerst nicht zurück, haben aber auch kein Auskommen in den Auffanglagern der Region. Dass der Westen diese Menschen nun aufnimmt, aufnehmen muss, ist auch Folge seines Versagens.

Warum nehmen Syriens Verbündete im arabischen Raum die Flüchtlinge nicht auf?

Assad: Das ist genau der Punkt. Arabische Länder geben Milliarden aus, um islamistische Kämpfer zu bewaffnen, unterstützen syrische Flüchtlinge aber kaum. Daran lässt sich ablesen, worum es den Verbündeten Syriens wirklich geht.

Was ist Ihre Botschaft an die Deutschen? Was ist Ihre Botschaft an die in Deutschland angekommenen Syrer?

Assad: Es ist bekannt, dass sich syrische Pässe kaufen lassen, um damit nach Deutschland zu reisen und Asylstatus zu bekommen. Ich rate den Deutschen also dringend zu gewissenhaften Hintergrundchecks, um zu verhindern, dass islamistische Schläferzellen, getarnt als Flüchtlinge, ins Land gelangen. Für diese Überprüfung wird man wohl oder übel auf Informationen des syrischen Geheimdienstes zurückgreifen müssen. Den Syrern in Deutschland möchte ich sagen: Ihr habt die Chance auf ein besseres Leben in einer Demokratie, die euch willkommen heißt. Werdet Teil dieses Landes, passt euch an, akzeptiert seine Kultur, lernt Deutsch und bleibt dem Extremismus fern. Helft der Regierung, Extremisten zu finden. Nur eine schlimme Tat eines einzigen Menschen mit syrischen Pass reicht, um Hass zu provozieren.

Mit welchen Gedanken blicken Sie, der Spross und der gleichzeitige Gegner des syrischen Herrscherclans, auf die Entwicklung Ihrer alten Heimat?

Assad: Ich habe keinen Grund für Optimismus, aber ich muss optimistisch sein. Wenn wir jetzt die Hoffnung aufgeben, ist alles verloren. Irgendwann werden die internationalen Verhandlungspartner verstehen, dass sie die falsche Strategie fahren; dass sie erst Parteien, eine demokratisch orientierte Opposition, Wahlprogramme und Wahlen organisieren müssen, bevor es in Syrien vorwärtsgeht. Die Zeit drängt: Wir müssen alle verstehen, dass wir alle den gleichen Feind haben - nämlich den islamischen Extremismus.

Zur Person

Ribal al-Assad (40), Cousin des syrischen Herrschers Baschar al-Assad, setzt sich im Gegensatz zu dem Despoten für den Aufbau der Demokratie in seinem Heimatland ein. Ribals Eltern sind aus Syrien geflohen, als er neun Jahre alt war. Er ist in Frankreich, Großbritannien und den USA aufgewachsen - meist begleitet von Leibwächtern. 1994 überlebte er bei einem Besuch in Damaskus knapp ein Attentat. Sein Elternhaus wurde zerbombt. Ribal al-Assad wohnt heute in London, wo er die "Organisation für Demokratie und Freiheit in Syrien" leitet.

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